PSA: Ein Konzern und seine deutsche Geschichte

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Vielleicht ist es ein folgerichtiger Schritt, wenn der französische PSA-Konzern mit seinen Marken Peugeot, Citroën und DS überlegt, ob ein Einstieg bei einem deutschen Autobauer wie Opel sinnvoll ist. Schließlich gibt es schon seit rund 130 Jahren Kooperationen zwischen französischen und deutschen Fahrzeugherstellern, eine Freundschaft, die also fast so alt ist wie die Erfindung des Automobils. Wie in allen Freundschaften fehlte es natürlich auch nie an vorübergehenden Fehden.

Alles begann mit den Patent-Motorwagen von Benz und Daimler, die auf der Pariser Weltausstellung von 1889 französische Käufer finden sollten. Tatsächlich begeisterte sich besonders der Autohersteller Panhard-Levassor (heute eine Marke von PSA) für den Verbrennungsmotor von Daimler. Levassor erwarb eine Lizenz für die Daimler-Motorenproduktion, die zugleich auch Peugeot zugutekam. So musste Peugeot erst 1896 eigene Motoren entwickeln, mit denen dann auch der Export in das damals deutsche Elsass erlaubt war. Einen anderen Weg wählte der französische Automobilpionier Darracq, ließ er doch seine für Allemagne bestimmten Motorwagen ab 1902 in Rüsselsheim überaus erfolgreich als Opel Darracq bauen. Später firmierte Daracq übrigens unter Talbot, jener Marke, die seit 1978 ebenfalls zum PSA-Imperium gehört. Citroën wiederum wurde als Fließbandvorreiter 1925 Europas zweitgrößter Autohersteller, rivalisierte dabei mit Opel und eröffnete dann 1927 in Köln ein Werk für „Deutsche Citroën“. Den endgültigen Durchbruch in Deutschland sicherten Citroën und Peugeot aber erst Nachkriegsmodelle wie die futuristische DS oder der elegante 403.

Daran änderten auch frühere automobile Herzensstürmer wie der stets zitronengelb lackierte Citroën Typ C aus den 1920er Jahren nichts, der zu den ersten bezahlbaren europäischen Automobilen überhaupt zählte und Opel als Vorbild für den Typ 4 PS „Laubfrosch“ diente. Die froschgrüne Lackierung und ein eigenständiger Kühler genügten, um Opel im von Citroën angestrengten Plagiatsstreit, Schutz zu gewähren. Die Käufer kümmerte das alles nicht, denn mit Laubfrosch und Citroën konnten sich Handelsvertreter und die Mittelschicht erstmals den Traum der Automobilität erfüllen. Dagegen litt der ab 1934 im Kölner Citroën-Werk gebaute avantgardistische Typ 7 Front (Traction Avant) bereits so sehr unter den sich politisch erschwerenden Produktionsbedingungen für ausländische Unternehmen in Deutschland, dass Citroën sein deutsches Werk ein Jahr später schloss. Peugeot dagegen ernannte die „Kraftwagen Handelsgesellschaft Kochte & Rech in Saarbrücken noch 1936 zum offiziellen deutschen Importeur. Allerdings blieben selbst die Stückzahlen der gefeierten Stromlinienmodelle 302 und 402 dreistellig.

Auf einen der ersten Plätze in den Zulassungscharts der Importeure sprintete Peugeot dafür im Nachkriegs-Deutschland. Vor allem mit dem vom Stardesigner Pininfarina perfekt proportionierten Pontonmodell 403 hatte Peugeot ab 1955 einen Erfolgstyp im Programm. Sogar die deutsche Polizei setzte nun auf die Fahrzeuge mit dem Löwen auf dem Kühlergrill und für Taxi- und Vielfahrer wurde der 403 Diesel wichtigste Alternative zum Mercedes 190 D. Als dann noch auch der Peugeot 404 im ultraschicken Trapezliniendesign startete und die futuristische DS von Citroën zum angesagtesten Auto deutscher Intellektueller wie Heinrich Böll avancierte, erreichten Peugeot und Citroën in der oberen Mittelklasse gemeinsam erstmals ebenso so viele Zulassungen wie Mercedes mit dem Typ 190.

Ab 1960 waren die Franzosen in der Bundesrepublik endgültig en vogue bei Freiberuflern und politischen Entscheidungsträgern – und machten sogar Lust auf kühne deutsche Entwürfe wie den NSU Ro 80. Nicht wenige Käufer dieser avantgardistischen Wankel-Limousine fuhren zuvor Citroën, oft sogar ohne von der Kooperation „Comotor“ zwischen NSU und Citroën zu wissen. Dabei sollte die Firma Comotor für NSU und Citroën gemeinsam Kreiskolbenmotoren produzieren. Ein Projekt, das zwar nach der Fusion von NSU mit Audi scheiterte, aber Citroën zeigte sein erstes Wankelauto, den Typ GS Birotor 1974 dennoch zuerst dem deutschen Publikum bei einer Tournee durchs ganze Land.

Das Jahr 1974 war ein Wendepunkt in der Geschichte der gallischen Automobilbauer. Während die erste Ölkrise Citroën in Deutschland zu Rekordzulassungen verhalf – nicht zuletzt dank des 2 CV (der „Ente“) als Kultmodell der Jugend- und Studentenbewegung – lag die Marke mit dem Doppelwinkel in Frankreich finanziell am Boden. Was im Sommer 1974 zur Übernahme durch Peugeot führte, aus der zwei Jahre später der PSA-Konzern hervorging. Schon 1978 war Peugeot erneut auf Einkaufstour, nun übernahm die Marke aus Sochaux die europäischen Töchter des amerikanischen Chrysler-Konzerns (Simca mit Matra und die englischen Rootes-Marken). So wurde Peugeot der größte Autobauer Europas, schließlich war Simca eine Macht am Markt – auch in Deutschland. Das 1934 in Nanterre bei Paris gegründete Fabrikat verfügte ab Ende der 1950er Jahre über das modernste europäische Automobilwerk und etablierte sich als zweitgrößter französischer Hersteller (hinter Renault, gleichauf mit Citroën) und drittgrößter Importeur in Deutschland. Dazu trugen auch Meilensteine bei wie der 1967 vorgestellte Simca 1100, der sieben Jahre vor dem VW Golf das Kompaktklasse-Konzept mit Vorderradantrieb und Heckklappe zum Erfolg führte.

Im Jahr 1978 verfügte Simca mit den Mittelklassemodellen 1307/1308 und dem brandneuen kompakten Horizon über zwei echte Bestseller – aber auch über problematische Kostenstrukturen. Die Folge war, dass sich die Löwenmarke an diesem Brocken verschluckte und beinahe erstickt wäre. Nicht einmal die neue Marktgröße half Peugeot damals, was den PSA-Strategen heute bei einer Übernahme von Opel vielleicht zu denken gibt.

Der Überlebenskampf von PSA war Anfang der 1980er jedenfalls dramatisch. Zunächst nützte weder das Aufblühen von Citroën durch neue Modelle mit PSA-Konzerntechnik, noch die Position als weltgrößter Dieselmotorenhersteller (auch Ford Köln bezog seine ersten Diesel von Peugeot), noch die Umbenennung von Simca in Talbot. Am Ende war der geniale Peugeot 205 der Retter. Popularisierte dieser doch den Diesel im Kleinwagen und war er sogar in Deutschland über Jahre meistverkauftes Auto im Importsegment.

Noch Anfang des neuen Jahrtausends zählte PSA Peugeot Citroën hierzulande zu den stärksten Importeuren. In den letzten Jahren jedoch und im härteren Konkurrenzumfeld, etwa durch die Koreaner, verpassten die Gallier den Anschluss. Zudem fehlte es PSA lange an den besonders angesagten SUV. Dies ändert sich nun nachhaltig – in Kooperation mit Opel. Führend sind die PSA-Marken dagegen bei Downsizing-Benzinern und Dieseln, die mit „Best in Class“-Verbrauchswerten beeindrucken. Und die so den Deutschen zeigen, wie die scharfen, ab 2020 in der EU geltenden CO2-Grenzwerte erfüllt werden können. Geben und Nehmen, das kennzeichnet seit 130 Jahren die Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen.

Text: Wolfram Nickel/SP-X
Fotos: Citroën, Opel, Peugeot/SP-X

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