Recht: Wann darf rechts überholt werden?

Wer auf der Straße überholen will, muss links überholen – alles andere ist verboten. So lernen es alle in der Fahrschule. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) nennt allerdings ein paar Ausnahmesituationen, in denen man tatsächlich rechts überholen darf.

Viele Autofahrer kennen und fürchten ihn: der Schleicher auf der Mittelspur. Manchmal verirrt er sich sogar auf die linke Spur der Autobahn. Was tun? Meist bleibt einem dann nichts anders übrig, als ebenso langsam hinterher zu fahren. Rechts überholen ist in diesem Fall in der Regel nicht erlaubt – wohl aber in einigen anderen Situationen. Wann darf man rechts überholen?

Fährt man hinter einem anderen Auto her, das links blinkt und sich zum Abbiegen links einordnet, darf man rechts daran vorbeifahren. „Wer in dieser Situation überholt, sollte aber vorsichtig fahren, und jederzeit darauf vorbereitet sein, dass das vorausfahrende Auto doch anders fährt als angekündigt“, warnt Rechtsanwalt Jörg Elsner, Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Gerade beim Abbiegen komme es häufig zu Autounfällen, weil Signale und Abbiegeabsichten falsch interpretiert würden oder Autofahrer nicht richtig blinkten.

Auf einer Straße, bei der mehrere Spuren in eine Richtung führen, kann es zu zäh fließendem Verkehr auf nur einem Fahrstreifen kommen. Das kann an einem Unfall liegen oder einem Hindernis auf der Fahrbahn. „Wenn links der Verkehr stockt oder zäh fließt, rechts aber normal läuft, darf man auf dem rechten Fahrstreifen an den langsameren Fahrzeugen vorbeifahren“, erklärt der Rechtsanwalt aus Hagen. Das besage § 7 StVO. Hat sich auf dem linken Fahrstreifen eine Fahrzeugschlange gebildet, die sich nicht schneller als 60 km/h bewegt, dürfen die Autos auf der rechten Seite mit einer um maximal 20 km/h höheren Geschwindigkeit vorbeifahren.

Auch für Fahrradfahrer gibt es eine Ausnahmeregelung vom Linksüberholgebot. „Fahrradfahrer dürfen Autofahrer rechts überholen – allerdings nur, wenn Platz genug ist, um gefahrlos vorbeifahren zu können“, warnt Rechtsanwalt Elsner. Zwischen dem Fahrradfahrer und dem Auto sollten mindestens 30 cm Platz sein, besser mehr.

In allen anderen Fällen ist rechts überholen verboten. Es gilt als Ordnungswidrigkeit und wird mit einem „Knöllchen“ beziehungsweise Bußgeld geahndet. Es sei denn, der Autofahrer gefährdet mit dem unerlaubten Überholvorgang den Straßenverkehr oder verursacht sogar einen Unfall. Dann droht die gleiche Strafe wie bei Trunkenheit im Straßenverkehr: Fahrverbot für neun Monate.

Das bedeutet auch: Überholt man den Schleicher auf der Mittelspur, drohen ernste Konsequenzen. Doch auch „schleichen“, also absichtlich sehr langsam zu fahren, kann Strafen nach sich ziehen. Denn diese Autofahrer provozieren andere zu möglicherweise gefährlichen Überholmanövern. Das gilt als Nötigung, eine Straftat. „Gegen Schleicher geht die Polizei allerding nur selten vor“, sagt Rechtsanwalt Elsner. Das liege vor allem daran, dass dies nur schwer zu beweisen sei, deutlich schwerer als eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Man kann Schleicher zwar anzeigen. Dann muss man aber Beweise vorlegen und davon ausgehen, auch vor Gericht aussagen zu müssen. Ideal ist es, wenn man einen Zeugen nennen kann.

„Auch in Situationen, in denen rechts überholen erlaubt ist, bleibt es immer ein Risiko“, warnt Rechtsanwalt Elsner. Ein Autofahrer, die rechts überholt, sollte in eigenem Interesse äußerst vorausschauend fahren – vor allem beim Überholen von Abbiegern und Fahrradfahrern. Überholvorgänge seien sehr oft Ursachen von Unfällen. „Es gibt immer wieder Verkehrsteilnehmer, die falsch blinken oder anderweitig unklare Signale senden“, fügt Elsner hinzu. Kommt es zu einem Unfall, kann man im Nachhinein kaum beweisen, ob der vorausfahrende Autofahrer geblinkt hat oder nicht. Mindestens eine Mithaftung beim Unfall ist dann sehr wahrscheinlich.

Copyright: Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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