Zugegeben: Es gehört zu meinen journalistischen Vergnügungen, das Genre Deutscher Schlager zu verteidigen. Gegen (Vor)Urteile wie Oberflächlichkeit, sinnfreie Texte, die Eignung als Verblödungsinstrument und so weiter.
Um es vorwegzunehmen: Niemand, der sich generell für ein Genre begeistert, muss auch alles mögen, was zum Genre gehört. Ist auch kaum möglich ob der Fülle des Angebots, das gilt sogar, wenn es – wie hier – nur um eine 3-CD-Box mit rund 60 Titeln geht. Und manche gehören tatsächlich in den Promillebereich.
Spannender sind tatsächlich die hier reichlich vertretenen Titel mit einer komplexeren Geschichte: Udo Jürgens zum Beispiel macht den Anfang. Als er Mit 66 Jahren auf den Markt brachte, 1977 war das, da dachte noch niemand an Ideen wie Rente mit 66+1. Rente hieß damals: Lehnstuhl, Zahnprothese, Herztabletten. Oder Margot Werner, die – ebenfalls 1977 – mit So ein Mann ein hartnäckiges Frauenklischee so richtig ironisch auf die Spitze trieb. Und die dafür mit Maurus Pacher und Abi Ofarim zwei Perfektionisten an ihrer Seite hatte, die aus der Ironie mit Refrain, sozusagen, einen Evergreen machten.
Dass mit Manuela, Nina Hagen und Hildegard Knef gleich drei skandalträchtige Titel vertreten sind, ist nicht minder spannend: Manuelas Schuld war nur der Bossa Nova brachte es wegen einer (aus heutiger Sicht absolut harmlosen) Textzeile bei mancher Rundfunkanstalt auf den Index, Nina Hagen zeigte schon 1974, als Achtzehnjährige, dass sie sich auf Exzentrik verstand. Und um die Weisheit in Hildegard Knefs Für mich soll's rote Rosen regnen zu verstehen, muss man schon ein gewisses Lebensalter erreicht haben.
Nimmt man nun noch die fröhlichen Lieder dazu, die einfach nur zum Mitsingen geeignet sind, für eine Stegreifparty (wie in einer Dora-Heldt-Verfilmung zu sehen war) oder ganz einfach zur Vermeidung von Langeweile, dann bekommt man mit dieser Sammlung einen wirklich repräsentativen Querschnitt zu einem, siehe oben, nicht ganz unumstrittenen Genre. Zu moderatem Preis.
Diverse: Hit-Giganten – Best Of Schlager (SME Media)
