Recht: Haftung nach Sturz in Linienbus

Kommt es in einem Linienbus zu einem Sturz, stellt sich immer die Frage, wer für die Verletzungen des Gestürzten haftet. Dabei sind die Anforderungen recht hoch: Fahrgäste müssen grundsätzlich immer für ihre eigene Sicherheit sorgen, sich also sicher festhalten. Auch hat man immer mit ruckartigen Fahrmanövern zu rechnen. Dies gilt allerdings nicht unbegrenzt.

Zunächst einmal spricht bei einem Sturz eines Fahrgastes alles dafür, dass er nicht für ausreichenden Halt gesorgt hat. Hier spricht man im Juristendeutsch vom „Beweis des ersten Anscheins“. Dieser kann allerdings entkräftet werden. Etwa dann, wenn nachgewiesen wird, dass der Betreffende sich festgehalten hat und ein sogenanntes „atypisches Verhalten“ des Busfahrers vorliegt. In einem solchen Fall sprach das Oberlandesgericht Frankfurt am Main am 17. November 2015 (AZ: 12 U 16/14) einem Fahrgast Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu.

In dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitgeteilten Fall stürzte der Mann bei einer Vollbremsung des Busses von seinem Sitzplatz. Er fiel dabei so unglücklich, dass er einen Oberschenkelhalsbruch erlitt.

In dem Bus gab es insgesamt drei Fahrgäste, die alle saßen. Die von dem Bus befahrene Fahrspur war von einem Pkw blockiert. Diese Engstelle befand sich vor einer unübersichtlichen Linkskurve. Der Busfahrer zog den Bus daher nach links auf die Gegenfahrbahn, um den haltenden Pkw zu umfahren. Als plötzlich ein Auto entgegen kam, leitete der Busfahrer eine Vollbremsung ein und konnte eine Kollision vermeiden.

Durch die Vollbremsung kamen sowohl der Kläger als auch zwei weitere Fahrgäste zu Fall. Das Landgericht hatte die Klage des Mannes noch abgewiesen, vor dem Oberlandesgericht hatte er jedoch Erfolg.

Das Gericht sah hier ein Fehlverhalten des Busfahrers und nicht der Fahrgäste. Daher erhielt der Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Nach Auffassung des Gerichts konnte er den Beweis des ersten Anscheins der Eigenverantwortlichkeit für den Sturz widerlegen. Die Vollbremsung war so stark, dass alle Fahrgäste aus ihren Sitzen fielen. Auch glaubte das Gericht dem Kläger, dass er sich links an dem Haltgriff festgehalten hatte. Nach einem Schlaganfall war er sprach- und gehbehindert und saß auch auf dem Behinderten zugewiesenen Platz.

Fahrer von Linienbussen sind verpflichtet, außergewöhnlich heftiges Bremsen nach Möglichkeit zu verhindern. Im vorliegenden Fall spreche jedoch viel dafür, dass die Vollbremsung aufgrund von Unaufmerksamkeit des Busfahrers erfolgt sei, da er das andere Auto erst unmittelbar vor dem Unfall bemerkt habe. Auf das daraus resultierende Fahrmanöver müssten sich Fahrgäste nicht einstellen. Außerdem hätten diese nachweisen können, dass sie trotz Festhaltens gestürzt seien. Daher bestehe ein Anspruch.

Copyright: Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

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