Willys Overland MB: Unterwegs mit einem „Freiheitskämpfer“

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Wer heute von SUV spricht, der meint mit Sicherheit nicht dieses Auto, um das es in der Folge geht: Dabei fing mit ihm im Grunde genommen der ganze Hype um ein Segment, das boomt und in den Zulassungszahlen „durch die Decke geht“, eigentlich erst an. Und das vor mittlerweile einem dreiviertel Jahrhundert. Nachfolgend unsere Impressionen einer ganz und gar ungewöhnlichen Zeitreise im und mit dem Willys Overland MB.

Soft-Offroader: Mit diesem Begriff bezeichnet man jene SUV (Sport Utility Vehicles), die eigentlich nur dem Namen nach sogenannte Geländewagen sind. Dieser hier aber ist einer. Ein Geländewagen. Der erste seiner Art. Nicht bequem, nicht hoch, nicht mal ein paar Türen. Dafür aber eine klappbare Frontscheibe, Anschnallgurte an der Seite für den Klappspaten und das Gewehr. Nein, sowas gibt es heute nicht einmal optional in der höchsten Ausstattungsstufe.

Ein erster Blick nach vorn: Zwischen den Pedalen liegen gefühlte Welten. Das Lenkrad ist fast so groß wie die Kirchenuhr und in etwa so dünn wie das Besteck beim Chinesen. Dazu glatt und flutschig. Als wir den 2,2 Liter großen Vierzylinder mit seinen 61 PS von unserer leicht überzogenen Holzbank aus in Gang setzen, bockt und schüttelt sich dieser erst Mal. Der Rückwärtsgang links oben, dazu drei Vorwärtsgänge, die zu wechseln weit ausholende Kreisbewegungen erfordern.

Wir haben uns ein (ziemlich) unwegsames Gelände ausgesucht, um mit dem 3,30 Meter kurzen Willys Overland MB zumindest einen Hauch dessen erleben zu dürfen, was GI’s damals unter dem Hintern hatten, um Nazideutschland zu besiegen. Ein robuster Motor, zuschaltbarer Allradantrieb, das genügte, um uns Jahrzehnte später zumindest einen ansatzweisen Eindruck davon zu verschaffen, was den ersten Jeep (woher der Name kam, darüber gibt es verschiedene Legenden) ausmachte. An jeglichem Mangel bei der Ausstattung mangelte es nicht. Was es nicht gab, konnte auch nicht kaputt gehen.

Willys-Overland hatte vor dem Eintritt der USA in den zweiten Weltkrieg den Auftrag zum Bau eines leichten, preiswerten und allradgetriebenen Militärfahrzeugs erhalten. Das Ergebnis dieses Regierungsauftrags Anfang der 1940er Jahre schaukelten wir jetzt über Stock und Stein. Unser Exemplar ist eines von etwa 630.000 Fahrzeugen mit dem Namen Willys MB, das Willys-Overland und Ford ab Juli 1941 produzierten. Doch aus dem genial einfachen und einfach genialen Auto, das US-Soldaten an die Front und in die zerbombten deutschen Städte kutschierte, wurde später eine völlig neue, zivile Fahrzeuggattung. Was damals aus der Einsicht in die Notwendigkeit zur Beendigung des Weltenbrandes entsprang, wurde Jahrzehnte später zum Luxus einer Spiel- und Spaßgesellschaft. Denn nach dem Krieg wurde der „Freiheitskämpfer auf Rädern“ weiter entwickelt. Aus Getrieben mit drei manuell zu wechselnden Gängen wurden moderne Neungangautomaten. Sechs- oder Achtzylinder bewegen die Passagiere, die in kommoden, klimatisierten Fahrgasträumen sitzen. Und mit den Jeep-Nachfolgern, oder Automobilen, die als solche verkauft werden, fährt man schon längst nicht mehr (nur) im Gelände herum. Damit bewegt man sich heute in der Stadt, ist unterwegs ins Büro, zur Freizeitgestaltung und schiebt sich oft auch fluchend durch enge Parkhäuser auf der Suche nach einem Stellplatz.

Vielleicht gut so, dass von denjenigen Automobilisten, die mit diesem Ur-Fahrzeug das Ende der Diktatur in Europa herbeiführten, kaum noch Menschen übrig sind, die diese Entwicklung mitverfolgen können. Uns aber wird zumindest der kurze und kurzweilige Einblick in eine andere, im wahrsten Sinne des Wortes „bewegtere“ Fahrzeugwelt in Erinnerung bleiben.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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