Recht: Wann erhalten Fluggäste eine Entschädigung?

Der Flug gestrichen, der Flieger überbucht, der Anschluss nicht mehr zu schaffen: Wenn die Urlaubsreise schon so beginnt, ist an Erholung kaum noch zu denken. Für größere Unannehmlichkeiten steht Passagieren in der EU von der Fluggesellschaft zumindest ein finanzieller Ausgleich zu. Ohne Hilfe oder Drohung mit dem Anwalt ist dieses Geld aber oft nicht leicht zu bekommen. An diesem Dienstag wollte der Bundesgerichtshof (BGH) über einen neuen Streit entscheiden, hat nun aber den Europäischen Gerichtshof angerufen. In unserem Überblick zeigen wir die wichtigsten Fakten zum Thema Fluggastrechte und Entschädigung.

In aller Regel dann, wenn sich die Ankunft um drei Stunden oder mehr verzögert, der Flug kurzfristig ausfällt oder trotz Buchung kein Platz an Bord ist. Das regelt seit 2005 eine EU-Verordnung. Wie viel Geld es gibt, hängt von der Flugstrecke ab: Je nach Entfernung bekommt der Passagier 250, 400 oder 600 Euro – allerdings nicht automatisch. Er muss das Geld zunächst von der Fluggesellschaft einfordern.

Wenn die Fluggesellschaft der Forderung nicht nachkommt, haben Fluggäste verschiedene Möglichkeiten. Fluggäste können sich beispielsweise an die zuständige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. An die SÖP können sich Flugreisende seit November 2013 kostenlos wenden, wenn der Anbieter nicht zahlt. Beschwerden zu Flügen machen dort inzwischen etwa drei Viertel aller Fälle aus. Im vergangenen Jahr registrierte die SÖP rund 8.700 Beschwerden nur aus dem Luftverkehr, am häufigsten wegen Verspätungen.

Mit den 41 Fluggesellschaften, die sich derzeit an dem Verfahren beteiligen, bemüht sich die Schlichtungsstelle um eine außergerichtliche Einigung – in etwa neun von zehn Fällen mit Erfolg. Auch an Rechtsanwälte, die auf Reiserecht spezialisiert sind, können sich Fluggäste wenden. In jedem Fall sollten Fluggäste fremde Hilfe annehmen, denn ohne diese ist es oft nur schwer, Ansprüche nachzuprüfen und durchzusetzen.

Für die Fluggesellschaften geht es um viel Geld. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft beziffert die jährlichen Ausgaben mit rund 132 Millionen Euro. Auf EU-Ebene setzt er sich dafür ein, dass Passagiere erst ab fünf Stunden Verspätung einen Ausgleich bekommen – gegen den Widerstand von vielen, die sich für die Rechte von Fluggästen einsetzen. Eine Revision der Verordnung liegt aber ohnehin auf Eis. Sie ist derart umstritten, dass derzeit nicht einmal darüber verhandelt wird.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei dem zur Verhandlung stehenden Fall nicht entschieden, sondern den Europäischen Gerichtshof angerufen.

Dem BGH lag der Fall einer Familie vor, die von Hamburg über Gran Canaria nach Fuerteventura reisen wollte. Weil der erste Flieger eine kleine Verspätung hatte, verpassten die Pauschalurlauber ihren Anschluss mit einer anderen Maschine und kamen 14 Stunden zu spät an. Die Frage ist, ob dafür die erste Fluggesellschaft verantwortlich gemacht werden kann.

Die Flüge wurden zwar beide zusammen über einen Reiseveranstalter gebucht, es gab aber keinen einheitlichen Flugschein. Diese Konstellation ist den Richtern zufolge neu (AZ: X ZR 138/15).

Ähnliche Fälle hat der BGH im Sinne der Passagiere entschieden – maßgeblich sei, dass es am eigentlichen Ziel mehr als drei Stunden Verspätung gibt. Hier war aber nur der erste Flug von Tuifly. Amts- und Landgericht waren deshalb der Ansicht, dass die Airline nicht für die Koordination mit einem fremden Anschlussflug verantwortlich ist. Das Beispiel zeigt, dass es im Einzelfall auf die Details ankommt.

Grundsätzlich kein Geld gibt es allerdings, wenn die Probleme auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgehen, die die Airline nicht beeinflussen kann. So sah der BGH etwa keinen Ausgleichsanspruch für Ausfälle oder Verspätungen, die von Pilotenstreiks, Schäden durch Vogelschlag oder eine verzögerte Landeerlaubnis verursacht waren.

Copyright: Verkehrsrechts-Anwälte im Deutschen Anwaltverein

Scroll to Top