Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Wieviele Fernseh-Stunden haben Sie denn in der vergangenen Woche als Genießer oder auch Leidtragender (je nach Fußball-Bedürfnis) vor dem Bildschirm zubringen dürfen und müssen? Die Crux dieser Kontinental-Meisterschaft, die uns das Warten auf den Beginn der neuen Bundesliga-Saison etwas verkürzen soll, ist auch die Tatsache, dass beispielsweise zwischen dem Ende des 15-Uhr-Spiels und des 18-Uhr-Spiels immer noch gut 75 Minuten mit irgendwelchen Nerv tötenden Moderatoren-Quasselstrippen, Pseudo-Experten und Bildschirm-Analytikern verbracht werden müssen. Und natürlich mit jede Menge Werbung zwischendrin.

Ist Ihnen dabei schon einmal aufgefallen, wie viele Auto-Konzerne sich in dieses mediale Milliarden-Gequake da einbringen? Sei es als gern gesehene Füller der Werbe-Blöcke, die die tolle Botschaft über ihre mindestens genauso tollen Autos kostenpflichtig zum EM-Konsumenten schicken. Oder auch so nebenbei als zufälliger Nutzgenießer eines Umstandes, den man in der Movie-Welt „product placement“ nennt. Während in Kinofilmen oder Fernsehserien der Privatdetektiv Josef Matula zufällig Alfa Romeo fährt, die Rosenheim-Cops im ZDF mit schicken Flitzern aus dem Hause BMW unterwegs sind, Kommissar Wallander im Volvo 850 oder Saab 900 Turbo seiner Arbeit nachgeht, kommen andere Hersteller quasi ein passant zu Nebenrollen des vierwöchigen UEFA-Theaters.

Da gibt es beispielsweise einen Titelsponsor aus der Auto-Industrie, der gar keine Busse in seinem Portfolio baut, dessen Name aber dennoch groß auf dem luxuriösen Gefährt zu lesen ist, das die jeweiligen Nationalmannschaften von ihren schicken Nobel-Herbergen zu den Stadien kutschiert. Und wenn – was im Prinzip mehrmals täglich der Fall ist – aus dem deutschen Kicker-Hauptquartier berichtet wird, dann leuchtet der gute Stern aus Untertürkheim quasi durch jedes Knopfloch oder jeden Reizverschluss eines DFB-Offiziellen.

Wenn so viel Geld (bewusst oder unbewusst) im Spiel ist, dann soll man sich noch darüber wundern, dass die Herren, die darüber entscheiden, wer wann wo mit welchem Logo in welchem Auto zu sehen ist, in Versuchung geraten, ihren Löffel auch mal in den Brei zu halten. Sport-Ereignisse dieses Ausmaßes sind in finanziellen Dimensionen angelangt, in denen das Verschwinden des einen oder anderen Milliönchen eigentlich gar nicht auffällt. Und der Automobilsektor ist nun neben dem Brauerei-Geschäft derjenige Wohlfühl-Lieferant, der vor allem die männliche Fußball-Seele am meisten anspricht.

Ob’s der Marke oder dem Produkt etwas bringt, sei dahin gestellt. Wahrlich nicht. Aber nicht mit zu machen als sichtbarer Teil des Milliarden-schweren Spektakels wäre wahrscheinlich noch teurer. Und deshalb werden wir uns dann auch noch die nächsten drei Wochen dergestalt berieseln lassen dürfen oder müssen. Wenn es sein muss, bis zum Elfmeterschießen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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