Buchtipp – Kunze: Geschenkte Wurzeln

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Gestern abend war sie in einer Hauptrolle zu sehen – als selbstbewusste, bekennend chaotische Köchin in Küsse à la carte. Überhaupt ist Janine Kunze eine erfolgreiche Schauspielerin. Für ihr schönes Leben, das sie sich einerseits hart erarbeitet habe, sei sie andererseits auch sehr dankbar, schreibt sie in ihrem Buch Geschenkte Wurzeln.

Mit diesem Buch, das sie auf Anregung von außen schrieb, ist sie ein hohes Risiko eingegangen. Würde man ihr danach noch jene Sympathien entgegen bringen, die ihr bis dato sicher waren? Würde sie weiterhin als Schauspielerin gefragt sein? Klare Antwort, das ist inzwischen sicher: Ja.

Janine Kunze hat ihre Kindheit in einer Pflegefamilie verbracht. Ihre leibliche Mutter wollte dennoch den Kontakt zu ihr halten – punktuell, aber regelmäßig. Ihre leibliche Mutter arbeitete im käuflichen Gewerbe, sie hatte das bewusst für sich entschieden.

Janine Kunze beschreibt unsentimental, wie sie mit dieser Situation umgegangen ist. Nicht zuletzt hat sie auch von den Pflegeeltern ein Höchstmaß an Souveränität verlangt, zumal die leibliche Mutter bei den eher kurzen Begegnungen als klassische Sonntagsperson erscheint – mit Geschenken, Lieblingsessen und dem Erlauben dessen, was die Pflegeeltern (aus guten Gründen) verbieten, ein Stück elterlicher Normalität zu erreichen.

Die unsentimentale, klare Sprache ist eine der großen Stärken des Buches. Von Groll ist nichts zu merken, die Anstrengungen, die diese Form des Aufwachsens wohl mit sich brachte, hat Janine Kunze problemlos gemeistert. Den Egoismus der leiblichen Mutter klar erkannt, durch alle materiellen Zuwendungen und die gewährten Freiheiten bei Besuchen hindurch. Das Beste daraus gemacht und, als sie es durfte, eine Entscheidung für ihr Leben getroffen: Sie ließ sich von der Pflegefamilie adoptieren. Das hatte ihre leibliche Mutter verhindert, solange Janine Kunze noch minderjährig war. Womit auch der Untertitel schlüssig erklärt ist.

Es ist immer schwer, aus einem Buch, und fand man es noch so spannend, Lehren zu ziehen. Vielleicht lässt sich für dieses doch eine formulieren: Bevor man nächstens über eine vermeintliche Ungerechtigkeit des Lebens jammert, einmal mehr überlegen, ob genau dies das Jammern tatsächlich wert ist.

Janine Kunze: Geschenkte Wurzeln. Warum ich mit meiner leiblichen Familie nicht verwandt bin. Pendo Verlag; 9,99 Euro.

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