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Das hatten die altehrwürdigen Frankfurter Messehallen noch nicht erlebt: Über 100 verschiedene Seriensportwagen wollten die wohlstandssatten Bundesbürger auf der IAA 1965 begeistern. Absoluter Publikumsfavorit wurde aber weder der neue Porsche 911 Targa noch der jüngste Zwölfzylinder aus Maranello, sondern ein Zweisitzer von der Marke für Fahrer mit Hut und Hosenträger. Ausgerechnet Opel, der Inbegriff für brave Bürgerlichkeit von Kadett bis Kapitän, begeisterte die Massen mit einem Traumsportwagen in aufregendem Coke-Bottle-Design mit langer Motorhaube, muskulös ausgestellten Kotflügeln und eng geschnittener Taille.

Das Opel GT genannte Concept Car brachte die amerikanische Corvette in europäische Form. „Bitte bauen!“, riefen Publikum und Presse unisono angesichts des sinnlich gezeichneten Zweisitzers. Drei Jahre sollte es dauern, dann ging der Opel GT auf der technischen Basis des Kadett B in Serie, alternativ mit kargen 44 kW/60 PS oder angemessenen 66 kW/90 PS, in jedem Fall mit den damals ultracoolen Klappscheinwerfern. Die Kundschaft bedankte sich mit über 100.000 Bestellungen für den bis 1973 gebauten Gran Turismo und Opel mutierte zur begehrenswerten Marke mit sportivem Anstrich. Entsprechend gespannt erwarten die Rüsselsheimer heute die Reaktionen auf ihre jüngste Spaßmaschine mit dem großen GT-Signet.

Immerhin fordert eine Online-Petition bereits den Bau des GT Concepts. Aber auch das erste Medienecho auf die rassige Studie mit roten Rädern fällt enthusiastisch aus. Im Unterschied zu einem glücklosen und kurzlebigen Seriensportler, der sich vor neun Jahren mit dem GT-Signet schmückte. Damals versuchte Opel einen GT-Relaunch in Roadsterform, nutzte dazu aber einen lediglich umgebadgten amerikanischen Saturn Sky.

2016 greift Opel dagegen die Idee des Originals von 1965 auf. Als „Experimental Car“ vermittelte der Zweisitzer damals ein Gefühl von grenzenloser Freiheit und sportlichem Abenteuer, wie es sonst bei Supercars zu finden war und nicht bei Volumenmodellen einer Massenmarke. Dazu setzte der nur 845 Kilogramm wiegende Ur-GT konsequent auf Leichtbau, verzichtete im Unterschied zu konkurrierenden Sportcoupés von Alfa, Lancia oder BMW auf Notsitze im Fond und sogar auf einen separaten Kofferraum. Für das leichte Gepäck musste eine von innen zugängliche Ablage genügen, was allerdings weder Käufer noch Fachpresse wirklich störte. Stattdessen beeindruckten das sogenannte Frontmittelmotorkonzept zugunsten eines tief liegenden Fahrzeugschwerpunkts und die überraschend guten Fahrleistungen dank des geringen Gewichts.

„Es ist nicht so wichtig, dass wir ihn bauen“, befand Opel in einer frühen Anzeigenserie über den Opel GT, entscheidend sei vielmehr das Konzept eines idealen Sportwagens. Dieses Layout hatte sich nach in den 1960er Jahren noch außergewöhnlichen Tests auf der Nürburgring-Nordschleife ergeben. Fast in letzter Minute wurde damals der GT-Motor zugunsten besserer Handlingeigenschaften um 30 Zentimeter nach hinten versetzt.

„Schnell und sicher wie im siebten Himmel fühlten wir uns im Opel-Rennwagen“, meinten begeisterte Motorjournalisten bei der Pressevorstellung des GT 1900. Knapp 190 km/h Spitze und nur 10,8 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 konstatierten die Fachblätter, womit der 90-PS-Opel ebenso flott war wie das 20 PS kräftigere Coupé Alfa Sprint GTV und auch der Porsche 912. Sogar der repräsentative Opel Kapitän mit 2,8-Liter-Sechszylinder musste seinem kleinen Bruder mit dem Blitz zwischen den sogenannten Schlafaugen die linke Spur freigeben. Was wegen des damaligen Opel-Werbeslogans „Deutschlands preisgünstigster Sportzweisitzer“ heute gerne vergessen wird: Der GT 1900 war mit Preisen von knapp 12.000 Mark erschwinglicher als ein Porsche 912, aber er war keineswegs billig. So kostete der auf Kadett-Architektur aufbauende Vierzylinder fast ebenso viel wie Opels Luxusliner in Kapitänsuniform.

Daran änderte auch der GT 1100 nichts. Zumal doch dessen 44-kW/60-PS-Antrieb im Widerspruch zum schnellen Sportwagendesign stand. So schickte Opel die phlegmatische und unpopuläre Basis schon 1970 auf's Abstellgleis und stattdessen den preiswerten GT/J 1900 ins Rennen. Statt Chrom setzte der GT/J auf mattschwarze Zierelemente – und trat damit einen Trend los, der die Wettbewerber erst Jahre später erreichte. Vielleicht wurde die Preisgestaltung des GT auch durch die vielen Produktionsschritte an verschiedenen Standorten beeinflusst. Mangels eigener Kapazitäten wurde die Karosserie bei Chausson in Frankreich produziert während die Lackierung und Interieurausstattung bei Brissoneau & Lotz erfolgte. Für die Endmontage zuständig war wiederum das Opel-Werk Bochum, wo auch die Antriebsaggregate installiert wurden. Genau diese Aufteilung war 1973 mit verantwortlich für das Ende des Sportcoupés. Die Werke in Frankreich wechselten die Eigentümer und das führte zur Kündigung des Liefervertrages. Da nützte es auch nichts, dass Opel gerade erst Deutschlands erfolgreichster Autobauer vor VW geworden war und der GT sogar neu hinzu gekommenen Breitensportlern wie Opel Manta, Ford Capri und VW-Porsche trotzte. Nicht als Superseller, sondern als Image-Ikone.

„Kurven, wo seid ihr? Ich komme! – Ich, der Opel GT. Geboren, um Ihr Sportfahrerherz im Sturm zu erobern! Nur Fliegen ist schöner.“ Mit solchen Slogans fand die Opel-Werbung Worte, aus denen Träume gemacht werden. Passend zu einem Auto, dessen Karosserielinien die Corvette imitierten ohne sie zu kopieren. Ein Coup, der Opel-Designer Erhard Schnell mithilfe eines Windkanals der Universität Stuttgart gelang. Schnell brachte er den Experimental GT sogar so gut in Serienform, dass die Amerikaner seine größten Fans wurden. Vielleicht das schönste Kompliment für den Vierzylinder: Über zwei Drittel seiner Produktion gingen in das Land von Fullsize-V8, Corvette und Ford Mustang.

Im Gespräch hielt sich der Opel außerdem durch immer neue Concept Cars. Hofften die Besucher der IAA 1969 noch, dass der dort vorgestellte orangefarbene Aero-GT mit Targabügel den Weg in die Serie finden würde, war der Elektro GT des Jahres 1971 trotz der Rekord-Vmax von 188 km/h alltagsfern. Versagten doch seine Batterien nach nur 44 Kilometern, obwohl eine elektrische Distanz von 100 Kilometern geplant war. Gleich zwei Geschwindigkeitsweltrekorde eines Diesel-GT waren dagegen 1972 die beste Werbung für den Großserienstart seines Selbstzünders im Mittelklassemodell Opel Rekord.

Genau zehn Jahre nach Vorstellung des ersten Experimental GT zeigte Opel auf der IAA 1975 den GT 2 mit Schiebetüren und Digitalinstrumenten als Ideenträger für die Zukunft. Anders als 1965 enttäuschten die Rüsselsheimer aber diesmal alle Erwartungen auf eine Serienfertigung. Der futuristische GT 2 verschwand in der Asservatenkammer – ein Schicksal, das dem GT Concept des Jahres 2016 hoffentlich nicht droht.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel/SP-X

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