Nissans neuer Navara: Ein gelungener Mix aus Dr. Jekyll und Mr. Hyde

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Mehr Freizeit- und Lifestylemobil als Nutzfahrzeug: Mit dieser Maxime schickt Nissan den neuen Pick-Up Navara ins Rennen. Auf dem Offroadpark am Nürburgring haben wir ihm auf den Zahn gefühlt.

Reichlich Schnee und Matsch als Untergrund und dazu eine komprimierte Berg- und Talbahn. Also ideale Bedingungen in der Eifel für unsere erste Ausfahrt mit der insgesamt zwölften Auflage des Nissan Pick-Ups. Seit acht Jahrzehnten bauen die Japaner Fahrzeuge dieses Genres. Jetzt wird der Navara quasi als „offener Crossover“ auf die Linie des Hauses eingeschworen, um die Stammklientel zu halten und sich den Bedürfnissen neuer Kundenkreise anzupassen.

Wie bisher ist er in einer King-Cab- und einer Double-Cab-Version (Doppelkabine) erhältlich. Doch der Neue, eine zu 100 Prozent europäische Produktion, wird mit der Auflage auf die Straße und ins Gelände entlassen, zwei Kernkompetenzen des Hauses miteinander zu kombinieren: Aus der ausgefeilten 4×4-Technik und dem exzellent praktizierten Cross-over-Gedanken soll eine funktionierende Einheit entstehen.

Der neue Navara ist deutlich weniger kantig als die Vorgänger geformt, bietet mehr Platz, mehr Komfort und ist demzufolge auch deutlich mehr Lifestylefahrzeug als alle Vorgänger. So sind etwa die Sitze nach NASA-Vorbild ergonomisch gestaltet.

Dennoch haben die Japaner nicht außer Acht gelassen, dass der Navara eigentlich ein Nutzfahrzeug sein soll und trotz aller Schönheitsoperationen auch geblieben ist. Die Nutzlast ist demzufolge auf eine Tonne, die Anhängelast auf 3,5 Tonnen gestiegen. Wichtig für viele Kunden ist die Länge der Ladefläche: Sie wächst beim Double Cab um 67 auf 1.578, beim King Cab auf 1.788 Millimeter.

Was uns besonders gefiel, war die Auswirkung der neuen Multilink-Hinterradaufhängung für die Doppelkabinenvariante: besseres Handling, mehr Komfort. Das Prinzip hieß: Schraubenfedern statt Starrachse mit Blattfedern. Der Navara hat den Blaumann ausgezogen, ohne dabei seinen funktionalen Charakter zu verlieren. Für den King Cab wurde die bisher verwandte Starrachse um sieben Kilo erleichtert.

Der Navara glänzt mit „Assi“-Systemen wie ein Pkw: Etwa ein „Around-View-Monitor“ mit 360-Grad-Rundumsicht oder ein Notbremsassistent. Je nachdem, welche der vier Ausstattungslinien man wählt, sind ein schlüsselloses Startsystem, Rückfahrkamera, Geschwindigkeitsregelanlage, ebenso wie Berganfahr- und Bergabfahrassistent an Bord.

Beatmet wird Navara Nr. 12 von einem neuen 2,3-Liter-dCi-Diesel, der entweder 160 oder mit Twin-Turbo-Aufladung 190 PS generiert. Laut Nissan begnügt sich das Aggregat mit 24 Prozent weniger Sprit als der Vorgänger. Für die Kraftübertragung sorgt ein Sechsgang-Schaltgetriebe oder eine Siebengang-Automatik. Der King Cab ist auch als reiner Hecktriebler erhältlich. Die Preisliste reicht von 26.795 bis 41.625 Euro.

Unser Fazit: Beim Nissan Navara ist alles „anders geblieben.“ Der Pick-Up wurde in seiner insgesamt zwölften Auflage seiner Identität nicht beraubt, doch der Hersteller denkt offensichtlich perspektivisch. Viele SUV „versoften“ zusehends und verdienen damit auch den Namen nicht mehr. Aber dennoch wird es Leute geben, die entweder Fahrzeuge mit einer großen Ladefläche, einer enormen Zuglast (oder auch beides) suchen und dennoch nicht nur als schnödes Raubein gelten möchten.

Für diese Klientel wurde ein Fahrzeug konstruiert, das frei nach der Novelle von Robert Louis Stevenson ein bisschen Dr. Jekyll und ein wenig Mr. Hyde ist. Wobei das Böse aus literarischer und filmischer Vorgabe in diesem Falle durch das Funktionale ersetzt wird. Mit dem optisch ansprechenden Mr. Hyde aus der japanischen Cross-over-Traumfabrik ist dabei eine äußerst gelungene Mixtur herausgekommen.

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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