Tradition: 50 Jahre Opel Rekord (B) vs. Ford Taunus 17 M/20 M (P5)

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Neue Autos für die Aufsteiger der Republik prägten die Mittelklasse vor 50 Jahren: Der erste Nachkriegs-Audi war von Mercedes entwickelt worden, neue Glas und BMW buhlten um Sportfahrer und der freche NSU Typ 110 warb um vormalige Kleinwagenkäufer. Auch die langjährigen Absatzkönige Opel Rekord und Ford Taunus 17M/20M kämpften nicht mehr ausschließlich um die brave bürgerliche Mitte. Vielmehr sprachen sie nun neureiche Karrieristen des Wirtschaftswunders an, die womöglich schon im schicken Flachdach-Bungalow wohnten, den Dual-Plattenspieler auf dem Sideboard hatten und auch sonst nach erschwinglichem Luxus amerikanischen Stils strebten.

Für den Rekord bedeutete dies schon seit 1963 eine Designverwandtschaft mit dem Chevy II und ein 2,6-Liter-Full-Size-Sechszylinder als Spitzenmotorisierung. Jetzt veredelten die Rüsselsheimer ihren fünf- bis sechssitzigen Ministraßenkreuzer zum Rekord (B), der laut Werbung „Champagner für PS-Begeisterte“ bereithielt in Form eines „spritzigen 1,9-Liters“. Alternativ arbeiteten unter der mächtig wirkenden Frontpartie mit Scheinwerfern im Stil des Flaggschiffs Opel Diplomat weitere komplett neu entwickelte Vierzylinder und unverändert der hubraumgewaltige Sechszylinder. Dennoch gönnte Opel seinem renovierten Rekord gerade einmal elf Monate Lebenszeit, dann fuhr bereits der Rekord (C) im Coke-Bottle-Dress vor. Hektisches Handeln schien der deutschen GM-Tochter damals angeraten, war es doch ihrem Erzrivalen Ford erstmals gelungen, die Taunus 17 M/20M (P5) mit frischen V4-Motoren und V6-Power als populärste Wohlstandssymbole in der deutschen Autolandschaft zu platzieren.

Dabei hatte Opel noch 1964 die europäische Führungsposition in der Mittelklasse mit dem Werbeslogan „ein Jahr Rekord – ein Rekord-Jahr“ gefeiert. In Deutschland errang der Rekord (A) sogar Rang zwei unter den meistgekauften Autos überhaupt, gleich hinter dem Käfer. Tatsächlich ließen sich so viele Deutsche von dem stattlich wirkenden Rüsselsheimer zum kleinen Preis beeindrucken – die Basisversion kostete nur 1.200 Mark mehr als der kleine Kadett – dass der Kölner Konkurrent die Erneuerung seines Flaggschiffs forcierte.

Gefährlich wurde die im September 1964 eingeführte Ford-Doppelspitze aus 17M und 20M (P5) den Opelanern aber erst 1965: Innerhalb weniger Monate schrumpfte Opels Gesamtmarktanteil von gigantischen 26,3 Prozent auf 20,6 Prozent, während die Kölner Ford-Werke mit 19,5 Prozent zum allerersten Mal auf Augenhöhe fuhren. Entscheidend dazu beigetragen hatte der Erfolg der inzwischen in allen Varianten verfügbaren Taunus 17M und 20M mit neuen V4- und V6-Aggregaten, die sich bis zur IAA 1965 insgesamt 138.000 Mal verkauften, während sich der Rekord mit nur 129.000 Einheiten beschied. Für die Presse Anlass, Ford als Aufsteigermarke des Jahres zu feiern. Und für Opel Grund, die Karten in der Mittelklasse mit dem kurzfristig aufgelegten Rekord (B) neu zu mischen. Diese Faceliftversion des Rekord (A) sollte durch Luxus punkten, den sich die Mitte leisten konnte.

Tatsächlich waren Fachwelt und Fans von den Vierzylindern mit obenliegender Nockenwelle, die im „Rekord 1,9 Ltr.“ 66 kW/90 PS freisetzten, geradezu begeistert. „Familienauto mit Sportwagencharakter“ bejubelte die Opel-Werbung die Limousinen. Schließlich bot auch ein BMW 1800 oder Porsche 912 nicht mehr Leistung. Dagegen gab es beim Rekord weiterhin Sechszylinder mit 74 kW/100 PS, fast so viel wie beim Porsche 911. Mit diesen Power-Rekord folgte Opel dem schon vom legendären GM-Boss Alfred Sloan verkündeten Konzernprinzip, eine nach Preis und Qualität aufsteigende Linie von Autos zu produzieren, die für jeden Karriereschritt des Käufers das passende Traumauto stellte. Sollte doch jeder Opel-Kunde seinen neidischen Nachbarn zeigen können, wie weit er es gebracht hatte.

Deshalb gab es den Rekord B ebenso wie den Taunus (P5) mit edel schimmernden Metallicfarben, neue Lackierungen, wie sie bis dahin überwiegend der Oberklasse vorbehalten waren. Beliebtestes Zubehör für die schnellen Sechszylinder von Rhein und Main waren jedoch die sogenannten Autobahn-Fanfaren, die unüberhörbar für freie Bahn sorgten. Ultimativen Luxus symbolisierten dagegen die Getriebeautomaten amerikanischer Art, also die Ford Taunomatic, die auf der Cruisomatic des Ford Falcon basierte, und auch der von GM für den 90-PS-Rekord angelegte Automat. Ebenfalls aus den USA übernommen worden war die Idee des Baukastensystems: „Vielseitigkeits-Rekord“ nannte Opel sein Portfolio aus über 20 verschiedenen Karosserie- und Antriebstypen. Ford bot sogar fast schon verwirrende Vielfalt, nämlich über 30 Versionen seiner Taunus-Familie. Und dabei waren noch nicht einmal die unterschiedlichen Ausstattungspakete berücksichtigt. Zum Vergleich: Die neuen Audi (72), NSU Typ 110 und Glas 1700 gab es 1965 jeweils nur in einer einzigen Variante und die etablierten Mittelklässler wie BMW Neue Klasse oder Fiat 1800 und 2300 beschränkten sich auf höchstens fünf Typen.

Allerdings dienten Ford und Opel die glamourös angehauchten Spitzenversionen vor allem als Imagezugpferde für die bürgerlich-billigen Taunus- und Rekord-Varianten. Sonnten sich doch gerade Vierzylinderkäufer gerne im Prestige der äußerlich kaum zu unterscheidenden Sechszylindertypen. Die übrigens im Fall des Ford 20M kaum mehr kosteten als ein vergleichbarer 17M, weshalb der sogenannte Tornado-V6 des 20M seine Klasse mit Sturmgewalt durcheinander wirbelte, zumal er auch im Turnier tobte. Was vorher in Ansätzen nur der Borgward Isabella gelungen war, vollendete der Taunus Turnier: Luxus und Lifestyle im Kombi, der bei Ford fortan stets mehr war als nur ein Kasten für Lasten. Und der als 20M Turnier mit TS-Maschine, chromglänzender Dachreling und vier Türen alle Opel Caravan zu zweitürigen Pragmatikern deklassierte für Vierzylinderknauserer.

Gar nach den Sternen griffen die 20M Hardtop-Coupés mit rahmenlos versenkbaren Seitenscheiben. Denn nur Mercedes und Lancia boten ebenfalls Faux-Cabrios mit Sechszylindern – forderten jedoch Preise in mehrfacher Höhe des Ford. Auch das Rekord Coupé-6 war teurer als der Taunus, konnte aber der Leistung des Ford Paroli bieten. Letzteres ließ die Kölner nicht ruhen, bis sie einen von der italienischen Carrozzeria OSI eingekleideten 20M TS beziehen konnten. Dieses schicke Ford OSI Sportcoupé war zwar auch nur 165 km/h schnell, wurde aber von der Presse ob seiner Optik in der 240-km/h-Liga von Ferrari und Maserati vermutet.

Opel verstand nicht weniger gut, was die Bürger wollten und präsentierte schon 1966 die nächste Rekord-Generation, die es bald auch als exklusiveren Commodore gab. Was wiederum Ford übereilt kontern ließ, denn der 1967 lancierte mutige 17 M/20 M (P7) musste schon zwölf Monate später nachgebessert werden durch dezenter geformte P7b-Modelle. Ein Mittelklasse-Derby zwischen Rhein und Main, das vor 50 Jahren seinen ersten dramatischen Höhepunkt erreichte, von Ford und Opel im Grunde aber bis heute in immer neuen Partien fortgeführt wird.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Ford, Opel Classic Archiv der Adam Opel AG/SP-X

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