Mercedes und der Autofahrer von morgen

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„Nicht in Wirklichkeit vorhanden, aber echt erscheinend“: So definiert der gute alte Duden das allgegenwärtige Wort „virtuell“. Eine Scheinwelt also, die in nicht allzu ferner Zukunft im Inneren unserer Autos die Träume der Insassen sichtbar machen soll – glaubt man Anke Kleinschmit, seit Anfang des Jahres Chefin der Daimler-Konzernforschung: „Virtualität macht die Digitalisierung im Fahrzeug unmittelbar erlebbar. Damit ist sie eine der Schlüsseltechnologien für die Mobilität im 21. Jahrhundert“, sagt sie.

Für die Entwicklungsingenieurin wird das selbstfahrende Auto der Zukunft ein „dritter Lebensraum“ neben der eigenen Wohnung und dem Arbeitsplatz. Je nach Laune dient der Innenraum ebenso als Ort der Entspannung wie auch als Erlebnispark, der die Mitreisenden unterhalten oder informieren kann.Mit dem selbstfahrenden Auto – wie der Studie Mercedes F 015 – entsteht ein neuer Typ Autofahrer, der sein Glück nicht mehr in rasanter Beschleunigung, dem Kick des Driftens um enge Kurven oder der wilden Hatz auf der linken Spur der Autobahn sucht. Er ist passiver Mitfahrer, wie in Flugzeug, ICE oder Reisebus an die Adria. Aber eben in privater Atmosphäre, die er sich dank der Technik selbst gestalten kann. Kleinschmit betont: „Wir müssen uns heute schon fragen, welche Wünsche und Bedürfnisse die Menschen haben und wie man diese erfüllen kann.“

Das ist sicher kein neuer Gedanke, denn jeder Autohersteller will von jeher Produkte auf die Straße bringen, die den Geschmack und die Wünsche der Kunden erfüllen. Neu ist aber, dass es dabei nicht um die klassischen Entwicklungen wie Motorleistung, Fahrverhalten oder Sicherheit gehen wird. Anke Kleinschmit: „Die Zukunft der Mobilität wird nicht nur technologisch erforscht, sondern auch soziologisch, kulturwissenschaftlich und philosophisch. Wir schauen vor allem auf die Rolle des Automobils in der Gesellschaft“.

Deshalb steht bei Daimler mit Alexander Mankowsky auch ein hauseigener Zukunftsforscher auf der Gehaltsliste. Er nennt Beispiele für die nahezu grenzenlosen Möglichkeiten, die die virtuelle Technik mit sich bringen könnte. „Heute ist die Windschutzscheibe das Fenster zur Welt, ihr Rahmen ist die Begrenzung des auf den Verkehr gerichteten Blickes“. Doch im selbstfahrenden Auto kann den Insassen, vor allem dem Fahrer, das Treiben der anderen Fahrzeuge egal sein, sein Blick nach draußen ist befreit von dem Zwang zur stetigen Aufmerksamkeit. „Ganz nach Wunsch und Bedürfnis des Fahrers kann sich die Straße verwandeln – aus einer anonymen Transportzone wird eine multimediale Enzyklopädie, eine Zeitmaschine, ein Ort zum Träumen oder aber zum aktiven Austausch mit Freunden“, erklärt Mankowsky.

Wie wäre es zum Beispiel, wenn wir Anfang des 19. Jahrhunderts durch das Brandenburger Tor fahren würden. Da tauchen dann Pferdekutschen rund ums Auto auf, man sieht fein gekleidete Vorfahren, die auf der Prachtstraße „Unter den Linden“ flanieren und unter alten Gaslaternen den neuesten Klatsch aus dem Kaiserhaus verbreiten. Zurück in die Zukunft auf Daimler-Art – man wird ja noch träumen dürfen. Aber auch Wissbegierige kommen auf ihre Kosten: Beim Blick auf die vierspännige Quadriga auf dem Dach des berühmtesten Berliner Tores wird verraten, dass die Skulptur 1791 von Karl Gotthard Langhans erschaffen und 1806 von Napoleon nach Paris entführt wurde. Erst 1814 kehrte sie nach Berlin zurück. Im nächsten „Quizduell“ kann der Autofahrer der Zukunft also richtig punkten.

Professor Erich Schöls vom Würzburger Steinbeis Forschungszentrum erwartet dank des rasanten Fortschritts künftig verfügbarer Hardware „virtuelle Wahrnehmungswelten, die das menschliche Bewusstsein in Räume entführt, die bislang nur in unserer Phantasie oder in Träumen existiert haben“. Schöls gibt aber zu bedenken: „Viele Menschen stehen dem Eintauchen in vollständig künstliche Umgebungen im Moment noch etwas misstrauisch gegenüber. Durch zunehmend sinnvolle Anwendungen wird der Cyberspace aber bald als eine nützliche und interessante Bereicherung mit riesigen Potenzialen geschätzt werden.“

Ob der gemütliche Talk mit Facebook-Freunden, die sich virtuell ins eigene Auto „beamen“, ob ein filmischer Vorgeschmack auf das im Navi programmierte Zielgebiet oder ein spannendes Videospiel, das den ganzen Mercedes in eine rollende Playstation verwandelt – denkbar ist nach Meinung der Futurologen fast alles. Auch das Zurücklehnen im Lounge-Sessel, während die Scheiben zum 360-Grad-Bildschirm werden und einen schneeweißen Strand und türkisfarbenes Meer virtuell ins Auto befördern. Das Rauschen der Wellen dringt dank Dolby-Surround an alle Ohren. Und draußen im realen Leben durchqueren wir den sozialen Brennpunkt einer Megacity, stehen im Endlos-Stau oder warten auf die Schneeräumer, damit der Computer in unserem Auto endlich weiterfahren kann.

Text: Spot Press Services/Peter Maahn
Fotos: Mercedes-Benz/SP-X

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