Berlin: Pferdestraßenbahn, Schnauzenbusse & Cadillacs

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Ein Mobilitätsereignis der Extraklasse wartet zum Ende des Sommers auf Berlinerinnen und Berliner sowie auf ihre Gäste aus nah und fern. An den vier September-Sonntagen öffnete das Depot für Kommunalverkehr des Deutschen Technikmuseums und ließ sich heuer bereits zum 21. Mal hinter seine Kulissen schauen. Diese Chance nutzten auch in diesem Jahr Tausende, wenn nicht gar, Zehntausende Enthusiasten historischer Fahrzeuge.

Auf mehr als 4.000 qm bestaunten die Fans in der ehemaligen Schnelltriebwagenhalle der Deutschen Reichsbahn über 50 Verkehrsmittel. Sie gehören zur einzigartigen Sammlung zu 150 Jahren Öffentlicher Nahverkehr in Berlin. Die Gäste waren begeistert von den historischen Fahrzeuge der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Feuerwehr und Straßenreinigung. Beifall auf offener Szene gab es für besondere Attraktionen: so für 13 Busse, darunter die stadtbildprägenden Schnauzenbusse der 1920er und 30er Jahre, ein Opel-Stromlinienbus von 1938, 14 Straßenbahnwagen, vier U-Bahn und drei S-Bahnwagen. Die Besucher applaudierten auch für 20 Lastwagen, darunter der Bergmann-Elektro-Paketauslieferungswagen, der Ford-Holzvergaser-Lkw, ein Opel Blitz, Baumaschinen wie die Dampfstraßenwalze der Berliner Maschinenbau AG vorm. L. Schwartzkopff von 1890.

Das gibt es heute noch ganz selten zu sehen: russische Staatslimousinen wie GAZ Czajka (Tschaika) und ZIL 114. Diese Karossen waren Repräsentanten der ehemaligen sozialistischen Länder (Comecon) vorbehalten.

Menschen suchen in der Regel den besonderen Kick: den bekamen sie auch an den vier Sonntagen mit Kultautomobilen wie der Edsel Ranger von 1958, den Cadillac 62 Series de Ville oder den NSU Ro 80. Aber das war noch längst nicht alles. Aufmerksamkeit erregten ein Bankierszug und der erste Berliner Pferdestraßenbahnwagen, das älteste erhaltene Straßenbahnfahrzeug Europas. Und zwar der einspännige Pferdebahnwagen von 1887 mit einer Länge über Plattform von 4,9 Metern. Der Bauherr war die Große Berliner Pferdeeisenbahn. Große Augen machten vor dem Triebwagen mit der Nummer 3566 von 1927 vor allem Kinder. Das Fahrzeug transportierte in den Jahren 1927 bis 1967 Menschen. Die Leermasse beträgt 15,1 Tonnen, die Motoren haben eine Leistung von 2 x 45 kW. Im Fahrzeug gab es 26 Sitz- und 42 Stehplätze. Die „Straßenbahn Betriebs GmbH“ schaffte 1927 eine weitere Großserie von 300 Triebfahrzeugen an, die wegen Konstruktionsmängeln bis 1931 sämtlich stillgelegt werden mussten. Zwischen 1933 bis 1936 erhielten sie neue Steuerungen.

Ein weiterer Hingucker war der Daimler Straight eight DE 36 von 1949 mit einer Leistung von 150 PS und einem Hubraum von 5.460 ccm. Das Fahrzeug trieb ein Achtzylinder Reihenmotor an; die Höchstgeschwindigkeit betrug 115 km/h. Der Typ DE 36 galt als das luxuriöseste Automobil Englands nach dem 2. Weltkrieg. Die formschöne Karosserie wurde bei den renommierten Hooper & Co. Coachbuilders in London gebaut. Sämtliche Fenster, auch die Trennscheibe zum Chauffeur, ließen sich elektrisch betätigen. Insgesamt 25 Straight Eight’s verschiedener Karosserierungen wurden von King George VI. zwischen 1946 und 1949 angeschafft.Im Jahr 1865 fuhr die erste Berliner Straßenbahn, noch von Pferden gezogen, vom Kupfergraben an der Museumsinsel zur Nachbarstadt Charlottenburg. Zum Jubiläum war am 27. September die „BVG vor Ort“ mit ihrer Ausstellung „150 Jahre Straßenbahn“, einem Modell der ersten Pferdebahn und mit Fachleuten, die Auskunft zu Historie und Gegenwart dieses immer noch geschätzten Berliner Verkehrsmittels gaben.

Text und Fotos: Erwin Halentz

Scroll to Top