Im VW T2 durch Cornwall

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Auf der schmalen, heckengesäumten, südenglischen Küstenstraße des Lebens lernt man seine Lektionen schnell: Im Linksverkehr wird die Straße links schnell knapp, zum Glück ist so ein VW Bulli von 1979 schmaler als gedacht und: Die im Film haben ausnahmsweise nicht gelogen.

Es gibt ein paar Dinge, die unser Volk kollektiv eint. Eine Vorliebe für deutsche Autos zum Beispiel, insbesondere solche, die man aus der Kindheit kennt. Oder die Vorliebe für deutsche Schauspieler, die an der englischen Südwestküste, in Cornwall, die große Liebe finden, verlieren, wiederfinden – Millionen Zuschauer schalten dafür seit 20 Jahren ZDF ein. Und die vereint-geteilte Meinung zum Camping: Man liebt es, hasst es oder wollte immer schon mal diese Freiheit genießen – aber, ach, Hotel ist doch bequemer.

Mit einem Kultmobil wie dem VW T2, dem von 1967 bis 1979 in Hannover gebauten Bulli, als Campingumbau durchs Rosamunde-Pilcher-Land entspricht also womöglich einer Traumvorstellung von Millionen Deutschen – auch wenn das natürlich kaum jemand zugeben würde (Iih, Camping! Iih, Linksverkehr! Iih, altes Auto!).

Doch Jackie Brown würde Zweifler eines Besseren belehren. Den klangvollen Namen trägt der ehemals beige-braune, nach der Renovierung im letzten Jahr lila-weiße Bulli von 1979. Er gehört mit 14 weiteren T1- und T2-Oldies – der älteste ist 55 – zur Verleih-Flotte von O‘Connors Campers in Okehampton, Devon, dem Bezirk gleich neben Cornwall, der ähnlich postkartenpanorama-schön ist.

So freundlich und geduldig Jackie Brown (365 Pfund/497 Euro von Mo-Fr) aus ihren Kulleraugen blickt, so souverän gestaltet sie unseren Trip entlang der türkisfarbenen Küste Cornwalls zur Zeitreise – im Wortsinn. Denn mit dem Platznehmen auf den aufgepolsterten, neu bezogenen, lila-weißen Kunstledersitzen, hinter dem riesigen, flach angebrachten Lenkrad kommt jegliches Zeitgefühl abhanden. Nicht nur wegen der lila und gelben (Pril-)Blumen auf den Gardinen, weil auf Radio BBC Cornwall „Sweet Caroline“ von Neil Diamond läuft oder der 1,6-Liter-Vierzylinder-Boxer im Heck mit seinen 37 kW/50 PS (Austauschmotor) per se zur Entschleunigung beiträgt.

Es ist vielmehr das Gesamtpaket, denn die Filmemacher beim ZDF haben nicht gelogen: (Fast) Egal, wo man in Cornwall mit 30 bis 40 Meilen (50 bis 65 km/h) entlangbrummt, die kleinen Buchten, die Stein-Cottages an der Dorfstraße, selbst die Schafe im nebeligen Dartmoor (liegt in Devon) sehen aus wie just vom Film-Team arrangiert. So ist man also in mehrfacher Hinsicht froh, mit Jackie unterwegs zu sein, denn wer langsam fährt, sieht mehr von der ganzen cornischen Pracht. Dass man sich vom Beifahrer navigieren lässt („Du hättest da links gemusst – ach, geradeaus ist auch schön.“) und nicht von einem mitgebrachten Navi, versteht sich von selbst.

Dabei lässt sich Jackie trotz ihres Alters ohne Zicken fahren. Die zwei O‘Connors-Mechaniker, die die alten VW der Flotte instand halten und restaurieren, haben ihr Bestes gegeben, um beispielsweise die Schaltung vom typischen Rühren in eine halbwegs präzisen Angelegenheit zu verwandeln. Und wem zum ersten Mal in einer der engen Kurven am Berg die Puste ausgeht, dem wird der zweite von vier Gängen zum Freund, in dem der Boxermotor Auto und Insassen mit viel Drehzahl den Berg hinauf schiebt.

Die vorderen Scheibenbremsen packen ordentlich zu – wofür man dankbar ist, wenn in einer der unzähligen, heckengesäumten Straßen ein Einheimischer im Affenzahn um die Ecke gebraust kommt. Schnauze an Schnauze – einer muss zurücksetzen, meist siegt der Respekt vor dem Alter und man wird freundlich vorbeigewinkt. Aber auch wenn nicht: Mit seinen rund 4,50 Metern Länge – kürzer als eine heutige Mittelklasse – und 1,72 Meter Breite – heutiges Kleinwagen-Niveau – ist der T2 wendiger als erwartet und in den engen cornischen Fischerdörfchen in seinem Element.

„Von außen sehr einladend, von innen sehr ausladend“ warb VW schon 1972. Spüle mit Wassertank, Gasherd, Kühlschrank, Geschirrschrank (mit Bulli-Motivtellern ausgestattet), Bank und Stühle, vier Schlafplätze – zwei auf der flachgelegten Rückbank plus Matratze, zwei unter dem Aufstell-Dach – bringt Jackie Brown in ihrem Innern unter. Aber das Wichtigste: Jede Menge Freiheit. Hier-ist-es-schön-hier-bleib-ich geht wirklich, auf einem der zahllosen, auch sehr kleinen Campingplätze (eine Liste mit besonders schönen liegt Jackie bei) oder sogar auf einem öffentlichen Parkplatz.

Mehr als 450 Buchungen hat allein O‘Connors Campers jedes Jahr, viele aus Deutschland, weitere Anbieter verleihen die VW-Campervans: Hochgerechnet sind jedes Jahr viele tausend Familien und Paare fasziniert von der Zeitreise durchs Rosamunde-Pilcher-Land. Die Faszination über den Urlaub hinaus macht sich seit einigen Jahren in der Preisentwicklung bemerkbar: 24.500 Euro zahlt man mittlerweile für ein T2-Wohnmobil im guten Zustand (Note 2) laut Classic Data.Vom Image als Kultmobil profitiert selbst die sechste Generation: Wenn in diesen Wochen der neue Bulli „T6“ auf den Markt kommt, wird er – ganz wie seine Vorfahren – als zweifarbiges Sondermodell angeboten. Wo wir wohl mit ihm in 36 Jahren entlangbrausen werden?

Text und Fotos: Spot Press Services/Hanne Lübbehüsen

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