Opel: 50 Jahre Kadett B

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Für die Fachwelt wirkte es wie eine späte Revanche des VW-Konzerns am Rüsselsheimer Erzrivalen. „Volkswagen – Das Auto., textet die Wolfsburger Werbung seit 2007 und greift dabei einen Slogan auf, der sich 1969 noch so las: „Opel Kadett. Das Auto.“. Mit diesem Werbespruch nahm der damals bereits vier Jahre alte Kadett B neuen Anlauf, um den Käfer zu killen und Opel endlich zur Nummer eins in Deutschland zu machen. Letzteres eine Mission, die dem Kadett tatsächlich gelang, wenn auch erst 1972 in seinem finalen vollen Verkaufsjahr und mit Unterstützung weiterer Opel-Modelle. Was jedoch zählte: Opel war wieder wie zuletzt in der Vorkriegszeit deutscher Verkaufskönig und die in Bochum gebauten Kadett B hatten den Grundstein dafür gelegt.

Als solide gebaute Kompakte in einer bis dahin nie dagewesenen Karosserievielfalt aus über einem Dutzend Versionen samt sportlicher Rallye- und luxuriöser Olympia-Modelle berührten sie Herz und Verstand von insgesamt 2,6 Millionen Käufern. Ein Erfolg, der die preiswerten Volkshelden von einst noch heute auf allen Klassiker-Events zum Liebling der Massen macht. Fährt dann sogar ein rarer Rallye-Kadett in Kriegsbemalung und mit 66 kW/90 PS starkem 1,9-Liter-Vierzylinder aus dem großen Rekord vor, ist ihm mehr Beifall sicher als vielen Ferrari. Schließlich röhrte dieser Rallye-Racer für die Straße damals aus ebenso vielen Pferdestärken wie ein Porsche 912.

Der Kadett B sollte überall dort mit dem Lächeln des Siegers strahlen, wo sein Vorgänger noch Schwächen zeigte und sich deshalb Käfer & Co beugen musste. Für das neue Opel-Einstiegsmodell bedeutete das vor allem: Eine Nummer größer antreten, den Sprung vom viersitzigen Kleinwagen zum fünfsitzigen Kompakten schaffen. So klassenlos wie der Käfer wurde der Kadett B zwar nicht, aber durch ein damals einzigartig breites Motoren- und Karosserieprogramm griff er gleichzeitig in mehreren Fahrzeugklassen an.

Zielten die 4,18 Meter langen und stattliche 1,57 Meter breiten (plus 13 Zentimeter!) Stufenhecklimousinen auf die untere Mittelklasse mit Konkurrenten wie Ford Taunus 12 M, Glas 1004/1204, NSU Typ 110, Fiat 124, Renault 8 oder den VW 1200/1300, präsentierten sich die Kadett Coupés als schicke und schnelle Kompaktsportler, die zu günstigen Kosten mehr Temperament boten als etwa ein VW Karmann Ghia oder Simca 1000 Coupé. Zunächst zeigten sich die Coupés mit knackig kurzem Rücken und markanten seitlichen Belüftungsschlitzen, von Fans Kiemen genannt, ab 1967 zusätzlich als LS Coupé mit langen Fastbacklinien. Der Kadett Caravan wiederum bereicherte die damals noch dünn besetzte Sparte kleiner Familien- und Freizeitkombis von Fiat Europa Familiare und Ford Taunus 12 M – zumal es ihn sowohl zwei- als auch viertürig gab. Die üppig dimensionierte Kadett-Ladefläche war sogar explizit geeignet für gerade in Mode kommende sperrige Sportgeräte wie Schlauchboote mit Außenborder.

Lifestyle in der Kompaktklasse, auch diesen Trend trat der Kadett B los. Dazu spendierte ihm Opel 1967 eine elegante Schrägheckkarosserie, den zwei- oder viertürigen LS. Zum feinen Kleid gehörte eine adäquate Motorisierung, für die sich der optionale, 55 kW/75 PS starke 1,7-Liter-Benziner aus dem Rekord anbot. Luxus verkörperte dagegen der ebenfalls 1967 lancierte Olympia. Diese Spitzenversion der Kadett-Baureihe gab es als Schräghecklimousine oder Coupe mit einem 66 kW/90 PS starken 1,9-Liter-Vierzylinder als kräftigstem Herz. Innen verwöhnte der Olympia mit plüschigen Noppenteppichen, außen kündete der um die Kotflügel herumgezogene Kühlergrill von Prestige.

Mit dem Olympia hob der Kadett bereits in die Mittelklasse ab, so wie kein anderer deutscher Kompakter. Weshalb sogar die Opel-Mutter General Motors Freude an ihrem kleinsten Konzern-Produkt empfand und nicht weniger als 430.000 Kadetten über das Buick-Vertriebsnetz im Land der Straßenkreuzer verkaufte. Auch GM Südafrika befand den Bochumer als attraktiv, implantierte einen englischen Vauxhall-Viva-Motor und fertig war der erste Kadett-Bestseller für das Kap der guten Hoffnung. Eigenwillig war zudem der im Schweizer GM-Werk Biel gefertigte Kadett, der als Ascona 1700 vermarktet wurde und so den Namen der späteren Opel-Mittelklasse vorwegnahm.

In Deutschland fiel es derweil Opel-Kunden und -Händlern schwer, durch das dicht gestrickte Kadett-Programm zu blicken. Aber Opel legte nochmals nach und zündete einen Blitz, der die Baureihe in den Herzen der Fans unsterblich machen sollte. Bereits sechs Monate nach Marktstart belegte ein B-Coupé bei der legendären Rallye Monte Carlo Rang drei in seiner Klasse und Rang 15 im Gesamtklassement. Ende 1968 verkündete die Opel Kommunikation dann stolz: „Allein in diesem Jahr errangen Opel-Fahrer bei 238 Veranstaltungen 222 Klassensiege, 345 Goldmedaillen und 287 Silbermedaillen“. Damit nicht genug: Kunden, die mit dem Kadett ernsthaft auf Kurvenjagd gehen wollten, konnten ab Ende 1966 den Rallye Kadett bestellen, der die Motorsportkarriere des kleinsten Opel von der Strecke auf die Straße transferierte. Vorzugsweise silbern lackiert, mit schwarzen Sportinsignien auf Haube und an den Flanken, erntete er von Beginn gleichermaßen bewundernde wie ehrfürchtige Blicke. Vor allem als Opel das 66 kW/90 PS starke 1,9-Liter-Aggregat vom Rekord ins kleine Coupé transplantierte. Konnte der 925 Kilogramm leichte Rallye Kadett doch damit sogar die Fahrer mancher Sechszylinder-Commodore auf der Autobahn „stehen“ lassen, wenn er mit bis zu 170 km/h die linke Spur räumte.

Noch rasanter waren nur die leichtgewichtigen Kadett Sprint unterwegs, die Anfang der 1970er Jahre auf besonderen Wunsch mit 78 kW/106 PS-Maschine aus dem Rekord Sprint geliefert wurden und damit angeblich ebenso schnell auf Tempo 100 beschleunigten wie ein Porsche 911 T. Zu dieser Zeit war der reguläre Kadett schon am Zenit seiner Karriere eingetroffen. Eigentlich sollte ihn der 1970 eingeführte Ascona ersetzen, der dann jedoch nur den Olympia beerbte und als eigenständige Baureihe dem neuen Ford Taunus Paroli bieten musste. So hielt der Dauerbrenner Kadett B bis 1973 durch, ehe ihn das GM-Weltauto „T-Car“ in Form des deutschen Kadett C ablöste. Wirklich alt geworden war der Kadett B aber auch nach acht Jahren nicht, hielten ihn doch regelmäßige Modellpflegen und eine scheinbar endlose Serie an Sondermodellen so frisch, dass er sich bis zuletzt mit dem Käfer um den Rang des meistverkauften deutschen Volksfahrzeugs duellierte.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel Classics Archiv der Adam Opel AG/SP-X

Scroll to Top