Mit ihm wollte Peugeot alles neu machen und dennoch schwebte über seiner glamourös angelegten Premierenparty auf dem Pariser Salon 1955 der Schatten des Scheiterns. Musste sich die Peugeot-403-Mittelklasse dort doch dem flammend futuristischen Citroën DS stellen. Eine Schönheitskonkurrenz, die von Presse und Publikum mit Spannung erwartet wurde und für die sich der Peugeot sorgfältig vorbereitet hatte. So trug er als erstes Modell der Löwenmarke eine modische Pontonform, die Pininfarina in einen eleganten italienischen Anzug drapiert hatte. Welche Mittelklasse würde das Premierenpublikum favorisieren, die DS des italienischen Designers Flaminio Bertoni oder den 403, der den Beginn einer über 50 Jahre währenden Designkooperation zwischen Peugeot und Pininfarina markierte? Dann aber kam alles anders, der Enthüllungsconcours wurde abgesagt.
Vorzeitige Zeitungsveröffentlichungen veranlassten Peugeot, schon im April eine vorgezogene Presse- und Händler-Präsentation im Bois de Boulogne zu feiern. Was den 403 nicht davon abhielt, anschließend eine Erfolgsstory zu schreiben, die es durchaus mit der des Citroën DS aufnehmen konnte. Beide Baureihen wurden Produktionsmillionäre, beide wirkten dank souveräner Fahreigenschaften gar als Lebensretter für von Attentätern verfolgte Politiker. Beim Citroën war es der amtierende Präsident General de Gaulle, beim Peugeot war es Francois Mitterrand als Präsident in spe. Vor allem aber brachten beide Modelle das französische Exportgeschäft in Schwung, wobei allein dem Peugeot das Kunststück gelang, zu einem der sieben „best made cars“ der Welt gekürt zu werden.
So eine amerikanische Untersuchung, die Peugeot in einer Marketingkampagne ausschlachtete. Danach fuhr das mittelgroße Löwenmodell nicht nur auf Augenhöhe mit Mercedes-Benz, sondern sogar mit Lincoln und Rolls-Royce. Für Peugeot eigentlich selbstverständlich, wie die selbstbewussten Franzosen allen Amerikanern via Anzeige zu verdeutlichen versuchten. Schließlich stammte das älteste in den USA noch im Einsatz befindliche Fahrzeug aus dem Jahr 1891 – und war ein Peugeot. Ähnliche Zuverlässigkeit prognostizierte Peugeot deshalb dem ab 1958 in Amerika verkauften 403. Ein Export-Abenteuer, das die französische Regierung erzwungen hatte, die sich so dringend benötigte Devisen erhoffte. Peugeot kooperierte dabei mit der staatlichen Régie Renault, die ihre Kleinwagen bereits in großen Stückzahlen über ein breites Vertriebsnetz absetzen konnte. Was aber dann geschah, hatte niemand vorhergesehen. Ausgerechnet als Detroit die größten V8-Heckflossen-Chromkreuzer auf die Highways schickte, entdeckten die Amerikaner ihre Liebe zu kleinen europäischen Vierzylindern.
So kam es, dass Peugeot zehn Prozent seiner 403-Palette in US-Spezifikation produzierte, gegen Lieferzeiten kämpfte und gewaltige Kapazitätserweiterungen plante. Dann das Desaster: Ab 1961 waren französische Fahrzeuge in den USA unverkäuflich, Peugeot musste sogar 1.740 Autos in die Heimat reimportieren und diese dort verramschen. Was war passiert? Detroit hatte eigene Compacts lanciert, vor allem aber hatten sich die kleinen Renault Dauphine als völlig ungeeignet für amerikanische Fahrgewohnheiten erwiesen, während etwa die Citroën DS schlecht vorbereitet worden waren für das nordamerikanische Klima. So kam es zu technischen Defekten, die alle Franzosen nachhaltig in Verruf brachten.
Weshalb Hollywood noch Mitte der 1960er Jahre dem legendären TV-Inspector Columbo ein arg mitgenommenes 403 Cabrio spendierte. Fast schon tragisch, denn der 403 hatte ja seine US-Tauglichkeit von Anfang an unter Beweis gestellt. Wenigstens setzte Columbos langjähriger Dienstwagen dem Peugeot ein verdientes filmisches Denkmal, das ihn weltweit bekannt machte. Entwickelt worden war der 403 übrigens tatsächlich mit Qualitätsansprüchen á la Rolls-Royce: „ An erster Stelle brauchen wir ein Qualitätsniveau, das über dem aller anderen liegt“, kommunizierte das Unternehmen aus Sochaux. 300- bis 400.000 Kilometer Mindestlaufleistung waren ebenfalls Vorgabe für den 403 – und das in einer Dekade, in der manche Wettbewerber schon nach 30- oder 40.000 Kilometern eine Motorrevision benötigten.
Für berufliche Vielfahrer, besonders für die Taxifahrergilde, zog Peugeot noch einen weiteren Trumpf: Ab 1959 gab es den 403 als ersten französischen Großserien-Diesel. Neben dem Mercedes 180 D/190 D war der 403 damit der erste Diesel-Pkw, der weltweit verkauft wurde. Aber Peugeot wollte mehr als Mercedes, deshalb gab es den 35 kW/48 PS leistenden 1,8-Liter-Selbstzünder auch im 403 Break, als erstem Großserien-Kombi mit Dieselkraft. Welchen Motor die 403-Fahrer auch wählten, immer konnten sie bereits beim Kauf ihres 403 sparen. So kostete der komfortable Viertürer mit 48 kW/65-SAE-PS starkem 1,5-Liter-Benziner 1959 in Deutschland 7.430 Mark, der Familiale 8.790 Mark und das exklusive Cabrio 12.790 Mark. Zum Vergleich: Citroën berechnete für den vergleichbaren ID 19 über 20 Prozent mehr und Volvo preiste seinen Amazon sogar um ein Drittel teurer ein. Der Mercedes 180 schlug mit 8.700 Mark zu Buche, während Borgwards allerdings nur zweitürige Isabella geringfügig günstiger war.
Wirklich teuer waren die robusten Peugeot nur als Gebrauchtwagen, da erzielten sie Preise, die ihnen Prestige auf Mercedes-Niveau bescheinigten. Peugeot war selbst verblüfft über das Ergebnis eines Kostenvergleichs zwischen französischen Herstellern: Danach mussten die Marken Simca und Citroën 15 bzw. 5 Mal höhere Garantiekosten für ihre Mittelklasse bezahlen als Peugeot. Kein Wunder, dass sich Peugeot Ende der 1950er Jahre selbst feierte als profitabelster Autobauer Europas, der übrigens in Deutschland erst mit dem 403 wirklich populär wurde. Dabei hatte hierzulande schon der bis 1960 parallel angebotene Peugeot 203 für Furore gesorgt, nicht zuletzt durch eine ebenfalls robuste Konstruktion und souveräne Fahreigenschaften. Der 403 konnte allerdings alles noch besser, brillierte zudem bei Rallyeeinsätzen und in allen Tests der Fachpresse, die eine „bombenfeste Spurhaltung“ lobten und nur bemängelten, dass der Fahrer seinen Hut kaum aufbehalten konnte, weil die Dachlinie dafür zu niedrig war. Andererseits begeisterte die Ausstattung mit Heizung, Stahlschiebedach und Liegesitzen. Hinzu kam die Variantenvielfalt der 403-Familie aus Limousine, Kombi, Kastenwagen, Pickup, Cabriolet und siebensitzigen Familiale. Nicht zu vergessen aufregende Sportcoupés und Cabriolets von Karossiers wie Chapron und Darl'Mat.
Rund 20 Prozent Marktanteil errang Peugeot in Frankreich in den besten Zeiten der 403-Palettte, eine Vorgabe, die unter dem 1960 eingeführten Nachfolgemodell 404 wiederholt werden sollte. Schließlich blieb der bewährte 403 weiter am Ball, nun aber als Einstiegsmodell in die Peugeot-Welt. Erst nach Einführung des kleinen Peugeot 204 gab der 403 im Jahr 1966 endgültig seinen Abschied.
Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Peugeot/SP-X