Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Das Automobil stand in dieser Woche wieder einmal richtig dicke in den Schlagzeilen. Eigentlich weniger das Auto als Solches, sondern die Granden, die dafür verantwortlich sind, dass Zehntausende Arbeit haben, Hunderttausende fahren können, Millionen an Zubehör- und Ersatzteilen geschaffen und logistisch „just in time“ am richtigen Ort und sein müssen. Und vor allem dafür, dass Milliarden umgesetzt werden und das Sprichwort, dass Geld die Welt regiert, wieder einmal seinen Nachhaltigkeits-Beweis erfährt.
Die Episode um die Herren Piëch und Winterkorn als Konzern-Oberen liest sich für uns Autofahrer aus dem Land von Otto Normalverbraucher wie eine Folge aus „Dallas“ oder „Denver Clan“ seligen Fernseh-Angedenkens der 1970er und 1980er Jahre. Neid, Missgunst, Intrigen, Aufstieg und Fall von Familien-Imperien: es ist alles drin an Dramen und mitunter auch an Tragikomödie, was zu so einem Wirtschafts-Krimi der Marke Schmierentheater gehört.
Doch auch in genau dieser Woche, wo es um perfide Machtspiele geht, zeigt das Automobil sich auch wieder einmal von seiner wunderschönen und sehr emotionalen, weil historisch einzigartigen Seite. Ein Rundgang über die weltgrößte Oldtimer-Messe, die „Techno Classica“ hat mich am Mittwoch wie immer bei der „TC“ in eine scheinbar unwirkliche Märchenwelt des Automobils entführt, die nichts von diesen undurchsichtigen Ränke-Spielen offenbarte. Da ging es dann wirklich nur noch um das Erlebnis Automobil mit allen Sinnen, wie es nur bei solchen Anlässen und in dieser gewaltigen Ansammlung einzigartiger Dokumente der Fall sein kann.

Jedes einzelne von den Hunderten von Exponaten auf zwei und vier Rädern, die noch bis am morgigen Sonntag in Essen zu bewundern sind, ist praktisch einen Besuch der Ausstellung wert. Und doch lässt sich dabei der wirtschaftliche Hintergrund nicht verbergen. Der Veranstalter S.I.H.A, ist eine reine auf Kommerz ausgerichtete Organisation, die in Essen möglichst viele und möglichst wertvolle Autos verkaufen möchte. Dass die Hersteller und Markenclubs bei solchen Anlässen ihre Schatztruhen der Vergangenheit öffnen, ist der Image-Pflege der Hersteller zuzuschreiben und deswegen willkommene Staffage, die den Charakter der Verkaufsausstellung wieder etwas abmindert.
Doch nur mit purer Blech- und Lack-Romantik und motorisierten Paradiesvögeln des vergangenen Jahrhunderts lässt sich nun einmal eine Techno Classica nicht auf die Beine stellen. Doch zumindest geben sich Kunst und Kommerz an diesen vier Tagen im Essener Grugapark wohlwollend die Klinke in die Hand beim Betreten der Ausstellungsräume. Und das tröstet dann unsereins doch wieder über die persönlichen Eifersüchteleien zweier sicherlich verdienstvoller, aber auch egozentrischer Männer an der Spitze eines Weltkonzerns und dessen Kontrollgremium hinweg.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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