Volvo: 40 Jahre 265 Kombi

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Einen wie ihn brauchte Volvo Mitte der 1970er Jahre. Einen, der die Nordamerikaner für schwedischen Lifestyle und Luxus begeisterte. Wollte doch Volvo auf seinem wichtigsten Exportmarkt mehr Marktanteil gewinnen und zugleich Zutritt in den Club der Premiummarken erringen. Für beide Ziele schien der 1975 präsentierte Volvo 265 geradezu prädestiniert. Ein nobel ausgestatteter und doch praktischer Lifestyle-Laster mit V6-Motor, der auf dem pragmatischen Vierzylinder-Bestseller Volvo 245 aufbaute. Das Beste aus zwei Welten wollte Volvo auf diese Weise vereinen. Seit dem legendären Duett galten die Göteborger als Kombi-Experten, seit dem Shooting Brake 1800 ES auch als Spezialisten für die Lust auf extravagant gestalteten Laderaum.

Warum also nicht den Volvo 264, der die Nachfolge des prestigeträchtigen Flaggschiffs Volvo 164 antrat, auch in Kombiform einführen? Zumal es die Station Wagons amerikanischer Marken bereits seit geraumer Zeit in exklusiveren Varianten gab. Dennoch war die Vorstellung des Volvo 265 eine kleine Sensation – vor allem für die Fachmedien und Volvo-Fans. Wagte sich der skandinavische Sechszylinder doch auf neue Wege, die bis dahin von kaum einem europäischen Kombi befahren worden waren. Für Furore gesorgt hatte bis dahin allein Ford, denn die Flotte aus 20 M- und Granada-Turnier kombinierte erstmals V6-Komfort mit großer Frachtkapazität. Global aber fiel nun dem Volvo 265 die Aufgabe des luxuriösen V6-Trendsetters im angesagten Landhausstil zu. Eine Rolle, die der Schwede auf überraschende Weise ausfüllte. Glänzte er doch kaum mit eigenen Verkaufserfolgen, bereitete stattdessen den Boden für eine neue Kombi-Gattung.

Seien es die großen französischen Vierzylinder-Break- und Familiale-Kombis (wie Citroën DS/CX oder Peugeot 504), die schon im Design ihren Nutzwertcharakter betonten oder die bei Karossiers gefertigten, nicht immer stilsicheren Kombiumbauten wie Crayfords Austin 3Litre oder die bei IMA gebauten Mercedes-Universal, sie alle konnten den Kombi nicht gesellschaftsfähig machen. Das galt auch für frühe japanische Kombis, die ohnehin vor allem auf den nordamerikanischen Markt zielten. Dort galten die Detroiter Country Sqiure, Vista Cruiser oder Station Wagon bis Mitte der 1970er-Jahre als ultimative Familien- und Freizeitautos.

Trotzdem fühlten sich die wenigsten Amerikaner mit einem Kombi angemessen gekleidet, wenn sie etwa bei der New Yorker Metropolitan Opera vorfuhren. Genau das wollte Volvo mit dem 265 ändern, dem ersten Sechszylinder-Kombi des Unternehmens. Der Volvo 265 kombinierte die praktischen, familienfreundlichen Talente des kantigen Kastens 245 mit dem Komfort und dem Prestige eines Sechszylinders. Auch äußerlich war die enge Verwandtschaft des Volvo 265 mit der Vierzylinder-Version 245 auf den ersten Blick erkennbar. Immerhin erhielt das Kombi-Spitzenmodell ebenso wie die 264 Limousine einen repräsentativen Kühlergrill.

Als Prototypen hatte Volvo einen ersten Nobel-Kombi bereits einige Jahre zuvor auf Basis des 1968 eingeführten Flaggschiffs 164 realisiert, aber nicht in Serie gehen lassen. Nicht nur, weil damals noch der Mut zu einem Kombi als Spitzenmodell der Marke fehlte, sondern auch weil der Radstand des 164 zu sehr differierte vom Volvo 145 und die Kosten für einen eigenständigen 165 zu hoch gewesen wären. Als Volvo jedoch die Baureihen 140/160 zum 240/260 weiterentwickelte, wurden die kostspieligen konstruktiven Unterschiede zwischen den Vier- und Sechszylinderbaureihen eliminiert. So war es jetzt ein leichtes, die Volvo-Limousine 264 auch als Kombi 265 anzubieten. Dennoch war Volvo vorsichtig, deshalb gab es anfangs nur eine einzige Ausstattung, die Basisversion Volvo 265 GL. Die luxuriös ausgestattete GLE-Linie wurde erst später nachgereicht, als sich der 4,90 Meter lange Transporter im feinen Businesszwirn bereits einen Namen gemacht hatte als kraftvolle Zugmaschine für Motorjachten und Motorsport. 1.900 Kilogramm Anhängelast, so viel schaffte kein anderer europäischer Kombi.

Werktags in die Firma und am Wochenende mit dem Racer auf dem Trailer zur Rennstrecke, das war es, was vielen wohlhabenden Amerikanern und Briten – Volvos zweitgrößter Exportmarkt – Freude bereitete. Der 92 kW/125 PS starke 265 war dafür das ideale Zugfahrzeug, zumal es ihn von Beginn an mit sanft schaltender Drei-Gang-Automatik gab. Auch in Deutschland fand der mit 28.900 Mark damals teuerste Volvo als Zugfahrzeug Fans, auch weil der Reitsport und die entsprechenden Pferdeanhänger gerade immer mehr in Mode kamen.

Dennoch lagen die weltweiten Verkaufszahlen des Volvo weit hinter den Erwartungen, gerade einmal 8.100 Einheiten konnte Göteborg im ersten Jahren ausliefern. Woran lag’s? Weniger am rauen Lauf des Sechszylinders, der aus einer Kooperation zwischen Peugeot, Renault und Volvo hervorgegangen war. Auch die vergleichsweise bescheidenen Fahrleistungen früher Volvo 265 – Vmax 165-170 km/h, 0-100 km/h in 12 bis 13 Sekunden – störten die meisten Kombikäufer nicht ernsthaft. Schließlich gab es in Europa einzig den Ford Granada als V6-Alternative und die amerikanische V8-Konkurrenz war kaum schneller. Verschärfte Emissionsgesetze hatten die einst muskulösen Hubraumgiganten entkräftet, was angesichts des neuen 55-Meilen-Tempolimits jedoch nur wenige Autokäufer störte.

Problematischer waren vielmehr die Premium-Positionierung des Volvo, an die sich die Kunden beiderseits des Atlantiks ebenso gewöhnen mussten wie an die stolzen Verkaufspreise des Nobelfrachters: 1976 kostete ein 265 in Deutschland genau so viel wie eine Mercedes-Benz S-Klasse. Eine der Oberklasse angemessene Ausstattung lieferte Volvo aber erst zum Modelljahr 1978 mit dem 265 GLE nach. Von der Klimaanlage, über Lendenwirbelstützen und Sitzheizung, Schiebedach, elektrisch einstellbare Außenspiegel und Fensterheber bis zum Hifi-System, der GLE ließ es an nichts fehlen. Hinzu kam mehr Dampf unter der Motorhaube. Ab Ende 1977 leistete der 2,7-Liter-V6 mit Bosch K-Jetronic 109 kW/148 PS, genug für 180 km/h Vmax. Noch schneller wurde der Volvo vier Jahre später mit 2,85 Liter Hubraum und 114 kW/155 PS Leistung. Allerdings musste er sich jetzt ersten ernsthaften Konkurrenten stellen. So konterte Mercedes seit 1977 mit dem T-Modell, Ford im selben Jahr mit einem neuen Granada Turnier, Opel Commodore Voyage und Vauxhall Viceroy Estate folgten 1981 und der Audi 100 Avant in Kombiform 1983.

In jenen frühen 1980er-Jahren wartete der Volvo 265 jedoch bereits auf seine Ablösung, die der 1982 vorgestellte Volvo 760 andeutete. 1985 war es dann soweit: Das neue Spitzenmodell der Schweden nannte sich 760 Kombi-Limousine und zählte zu den Megastars des Genfer Salons. Zeit für den altgedienten Volvo 265, sich still und leise aufs Altenteil zurückzuziehen. Von dort aus konnte der Pionier der Premiumkombis dann in Ruhe beobachten, wie weit er seiner Zeit wirklich vorausgeeilt war. Dauerte es doch noch bis Mitte der 1990er-Jahre, bis die meisten Marken wirklich im Konzert exklusiver Kombis mitspielten.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volvo, SP-X

Scroll to Top