Es ist ein Nachruf, den zu schreiben besonders schwer fällt. Vor drei Monaten wurde sein 80. Geburtstag gefeiert, mit einer Gala, mit einem Tribute-Album, auf dem sich wesentlich Jüngere die Ehre gaben (Anett Louisan, LaBrassBanda und andere), mit einer für 2015 geplanten Tournee, nachdem er mit seinem Studio-Album Mitten im Leben an die Chartspitzen gestürmt war und sich einmal mehr als Vorreiter fühlen durfte: 48 Jahre nach seinem ersten Grand-Prix-Sieg für Österreich wiederholte Conchita Wurst das. Und Udo Jürgens versäumte es nicht, die Sympathie für die Reizfigur öffentlich, offen und ehrlich zu bekennen.
Das genau war typisch für Udo Jürgens, der am 21. Dezember 2014 an den Folgen eines Herzversagens gestorben ist: Nichts lag ihm, bei allem Bekenntnis zu chronischem Harmoniebedürfnis, ferner als Engstirnigkeit und die Pflege von Vorurteilen. Dass er genau damit seinen seiner vielen Top-Hits landete (Ein ehrenwertes Haus), hatte durchaus etwas Beruhigendes.
Natürlich hat er viele Liebeslieder geschrieben und, wenngleich bekennender Bonvivant, auch gut und gerne Selbstkritik geübt. Natürlich ist 17 Jahr, blondes Haar ebenso ein Evergreen wie eben der Grand-Prix-Sieger Merci Chérie und andere. Trotzdem – immer wieder fällt sein Gespür für Reizthemen auf, die bis heute aktuell blieben oder es wieder wurden. Den Klagen über die Überalterung der Gesellschaft hält er sein Mit 66 Jahren entgegen, und kein Ernährungsfachmann (außer vielleicht Alfons Schuhbeck, der es dezenter täte) könnte treffender Aber bitte mit Sahne warnen. Der Tante-Emma-Laden aus den 70ern? Aktuell in Zeiten, in denen es der Einzelhandel nicht einfach hat. Gefeuert von 1977? Eine schallende Ohrfeige für Abwickler, die in Unternehmen Zahlen statt Menschen sehen.
Einen guten Querschnitt durch bekannte und weniger bekannte, allesamt hörenswerte Lieder liefern die CDs, die einen seiner provokantesten Hits im Titel tragen. Bleibt zu sagen: Merci, Udo Jürgens!
Udo Jürgens: Aber bitte mit Sahne I und II. (Sony Music)
