80 Jahre Winterreifen: Vom „Grobian“ zum High-Tech-Produkt

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2

Seit in den 50er-Jahren immer mehr Reifenhersteller Wintertaugliche Pneus auf den Markt brachten, sind die winterlichen Straßenverhältnisse vielfältiger geworden und damit die Anforderungen an Winterreifen ständig gestiegen.

Das brachte Winterreifen insgesamt auf ein immer höheres Niveau und machte sie zu Alleskönnern: Unter rund sieben Grad Celsius bieten sie heute mehr Haftung als Sommerreifen, nutzen sich beim richtigen Einsatz weniger schnell ab und haben – die passende Konstruktion vorausgesetzt – ein harmonisches Reifen-/Fahrbahngeräusch. Inzwischen gibt es nicht nur laufrichtungsgebundene Reifen oder asymmetrische Profile, sondern auch Pneus, die beides vereinen. Diese sind dann für die beiden Fahrzeugseiten unterschiedlich. Obwohl sie höchsten Grip auf verschneiter Fahrbahn bieten, ist ihre Logistik den Automobilherstellern meist zu aufwendig und die richtige Platzierung zu kompliziert. Deshalb bleibt es heute oft nur noch bei laufrichtungsgebundenen Versionen. Die Winterreifen-Entwicklung bei Dunlop zeigt beispielhaft eine „historische Reihe“ vom ersten Radial-Spikereifen SP Eis mit Klauenprofil (1965) über die immer feiner werdenden Blockprofile SP 66, SP 88 M+S und SP Wintersport der 70er- und 80er-Jahre bis hin zu den laufrichtungsgebundenen Profilen mit Silica in der Lauffläche als SP Wintersport M3 und mit der Freigabe bis 270 km/h als SP Wintersport 3D.

Ein weiterer Schwerpunkt in der Winterreifen-Entwicklung ist seit 40 Jahren die Lamellentechnologie. Gerade Lamellen, Sinus-Lamellen, Netz-Lamellen, Bienenwaben-Lamellen, verlinkte Lamellen, überkreuz verbundene Lamellen, Treppenlamellen – nichts scheint zu kompliziert zu sein, um noch mehr Haftung und Sicherheit zu liefern. Ab Mitte der 60er-Jahre versuchten dies fast alle Hersteller auch mit Hartmetall-Spikes zu erreichen. Wegen angeblicher Straßenschäden war aber 1975 ihre Zeit in Deutschland vorbei.

Heute macht besonders die Gummimischung einen Winterreifen aus. Im Unterschied zu Sommerreifen werden „tieftemperaturelastische Kautschuke“ verwendet, um den Pneu selbst bei niedrigen Temperaturen elastisch zu halten. Dazu kommen Schwefel, Weichmacher, Silika (Kieselsäure), Silane und immer öfter pflanzliche Öle oder Harze. Diese Mischungen sind von Hersteller zu Hersteller höchst unterschiedlich und immer streng geheim. Einige Billigmarken müssen mangels Know-How in der Verarbeitungstechnik immer noch auf das teuere und kompliziert zu mischende Silika verzichten.

Einen universellen Winterreifen gibt es jedoch nicht. Je nach Fahrzeug und Einsatzort müssen Spezialisten her – mit unterschiedlicher Mischung und diversen Profilen. Alleine der Continental-Konzern hat mit Continental, Uniroyal, Semperit, General Tire, Gislaved, Viking, Barum, Matador und Mabor acht Winterreifen-Marken – für alle Regionen Europas, für Premium-Ansprüche, für das mittlere Preissegment und schließlich besonders preisgünstige Angebote.

Winterreifen sind aber nicht nur immer sicherer und leiser geworden – sie erlauben heute auch ähnlich hohe Geschwindigkeiten wie Sommerreifen. So gibt es speziell für deutsche Autobahnen den Nokian WR für die Geschwindigkeitsklassen T bis W (190 – 270 km/h) im Reifenhandel. Einen neuen Guinness Weltrekord fuhren jüngst serienmäßige Nokian-Winterreifen mit 335,7 km/h Höchstgeschwindigkeit mit einem Auto auf Eis heraus! Um auch beim EU-Reifen-Label möglichst gute Werte zu erreichen, bleiben zur Optimierung von Winterreifen“ besonders gewichtsreduzierte Konstruktion, Verbesserung des Rollwiderstands trotz höherer Neuprofiltiefe sowie verfeinerte Mischungs-, Lamellen und Profiltechnologien.

Schließlich bringt Nokian vielleicht auch nach Mitteleuropa die hier „geächteten“ Spikes zurück. Ohne schon Details der Technologie zu verraten, präsentierte Nokian Tyres heuer den ersten Nicht-Spike-Winterreifen der Welt mit Spikes. Bei diesem revolutionären Konzept-Pneu mit der Lauffläche und der Struktur des neuen Nokian Hakkapeliitta 8 SUV fahren die Spikes auf Knopfdruck gleichzeitig aus, damit der Reifen besser greift und wieder in den Pneu ein, wenn sie nicht benötigt werden. Dann könnte der Fahrer auf den besten Grip umschalten, wenn sich die Bedingungen deutlich ändern.

Text: Karl Seiler
Fotos: Continental, Dunlop

Scroll to Top