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Infernalisch gut ging der Fiat 131 Mirafiori nach Meinung des zu seiner Zeit weltbesten Rallyefahrers Walter Röhrl. Bis es soweit war und der Regensburger Racer im Jahr 1980 auf einem Fiat 131 die Rallye-WM für sich entschied, musste das Mittelklasse-Modell allerdings erst einmal Licht in die bis dahin dunkelste wirtschaftliche Epoche des italienischen Industriegiganten bringen. Eine Aufgabe, die die als Weltauto auf gleich vier Kontinenten gebaute, kantig gezeichnete und bieder konstruierte Baureihe verblüffend bravourös löste – um am Ende auf eine Produktionszeit von 36 Jahren zurückzublicken.

Dafür genügten dem vor 40 Jahren vorgestellten Familien- und Firmenauto-Fiat drei Facelifts und eine vorübergehend beispiellos breite Motorenpalette mit Leistungswerten von 41 kW/55 PS bis 158 kW/215 PS (als 131 Abarth Rally). Allein in Italien wurden insgesamt über 1,5 Millionen Fiat 131 ausgeliefert, dies als betuliche zwei- oder viertürige Stufenhecklimousine sowie als gefällig gezeichneter Kombi 131 Panorama. Als echte Miracoli („Wunder“) bewerteten Medienvertreter deshalb die Erfolge des nach dem Turiner Fiat-Stammwerk benannten Modells Mirafiori. Hatte doch der stockkonservative Nachfolger des vielfach preisgekrönten und innovativen Fiat 124 nichts vom anfänglichen Charme seines Vorgängers bewahrt.

Allerdings war das gewinnende Lächeln des Fiat 124 längst verflogen als der 131 Mirafiori seine betont schlichte Premierenparty auf dem Turiner Salon feierte. Einer Autoshow, die 1974 noch ganz von der Depression der ersten Ölkrise gezeichnet war. Dabei sollte doch der Mirafiori eigentlich bereits bei seinem Debüt alle Probleme des Vorgängers vergessen lassen. Denn dieser machte seit 1970 auch als billiger russischer Shiguli- bzw. Lada-Lizenzbau Karriere und Fiat sich so auf manchen Märkten selbst Konkurrenz. Hinzu kam ein Problem, mit dem damals viele Hersteller kämpften, das aber Fiat besonders heftig traf: Rascher Rostbefall aufgrund minderwertigen Recycling-Stahls. Die Turiner konterten mit einem umfassenden Korrosionsschutzprogamm und ab 1975 mit einer Garantie gegen Durchrostungsschäden. Maßnahmen, die beim Mirafiori relativ rasch griffen, aber der Rufschaden für die Marke konnte erst Jahre später gelöscht werden.

Rost und wirtschaftliche Rezession waren aber nicht die einzigen Probleme, mit denen die Italiener Mitte der 1970er Jahre kämpften. Als wäre dies nicht genug, wurden die Fiat-Werke jahrelang von Streikwellen erschüttert, die die unglaubliche Zahl von 2.100 Ausständen allein im ersten Halbjahr 1975 mit sich brachten. Zur Strategie der Gewerkschaften zählte es, besonders gefragte und profitable Baureihen am heftigsten zu treffen, mithin das neue Modell Mirafiori. Innerhalb kurzer Zeit ging Fiats Marktanteil in Italien von rund 70 auf knapp 50 Prozent zurück, zumal die Fiat-Kleinwagen zusätzliche Konkurrenz erhalten hatten durch neue französische und deutsche Cityflitzer. Eine Situation, der Fiat auch hierzulande Tribut zollen musste, denn Renault verdrängte Fiat vom ersten Platz der Importeurcharts. Eine Mammut-Aufgabe für die neuen Mirafiori-Modelle also. Wunder dauern ja bekanntlich immer etwas länger und so kam der ersehnte Aufschwung für den Fiat-Konzern nach dem ersten großen Facelift für die 131-Flotte.

Sparsame Diesel-Motoren, stärkere Benziner und schnelle Sportversionen machten die Fiat-Tifosi endlich glücklich, stand der neue Supermirafiori doch für die traditionellen Fiat-Tugenden Freude am Sparen und gleichzeitig sportliches Fahren. Diese Emotionen hatte vor allem die müde 41 kW/55 PS leistende 1,3-Liter-Basis-Version vermissen lassen. Die Fachpresse ermittelte eine Vmax von gerade einmal 139 km/h und einen unbescheidenen Testverbrauch von 11,3 Liter, womit der Fiat träger und durstiger war als die Konkurrenz von Audi (80), Ford (Taunus), Renault (12) oder VW (Passat).

Etwas flotter war zwar der 55 kW/75 PS starke Mirafiori, richtig gut voran ging es aber erst 1978 mit dem 71 kW/96 PS freisetzenden Supermirafiori, der es auch mit Sportskameraden wie BMW 318 und dem Opel Ascona 2.0 S aufnahm. So schaffte es der Fiat 131 im Konzern-Produktionszahlenranking sogar vorübergehend Kleinwagenklassiker wie die Typen 126 und 127 zu deklassieren. Echtes Feuer unter der Haube hatten allerdings erst die ebenfalls 1978 lancierten Fiat 131 Sport und Abarth 131 Rally mit 85 kW/115 PS bzw. 103 kW/140 PS. Äußerlich gekennzeichnet wurden die zweitürigen Straßensportler – alle klassischen Fiat Coupés liefen 1979 aus – durch Kotflügelverbreiterungen, Spoiler und Sportfelgen. Schon 1977 hatte der Fiat 131 die Rallye-Marken-WM gewonnen und Walter Röhrl begeisterte seine Fans mit diesem Fiat. Dies genügte, um auch Ford Capri- und andere Coupé-Tifosi für den italienischen „Campione del Mondo“ zu gewinnen. Sogar als kompressoraufgeladener 131 Volumetrico Abarth wurde der Fiat ab 1981 ausgeliefert, eine Kampfansage an Alfa GTV und Porsche 924.

Wer sparen wollte, bekam den Fiat 131 auch als Dieselöl-Tanker, erkennbar an einer Blechauswölbung an der Motorhaube und markantem Traktorsound. Nichtsdestotrotz ermöglichten die 2,0- und 2,5-Liter-Selbstzünder mit bis zu 53 kW/72 PS flotteres Vorwärtskommen als es etwa die Mercedes-Modelle 200 D und 240 D oder der VW Passat vermochten. Mit dieser Typenvielfalt bildete der 131 eine massive Säule der (Fiat)-Erde, die weder Streik noch andere Krisen zum Einsturz brachten. Zumal der Mirafiori auch im Mittelpunkt des globalen Fiat-Flechtwerks stand mit Profit-Centern in Spanien (als Seat 131 mit eigenen Motoren und als Supermirafiori mit dem Nimbus des Businessliners à la BMW), in Osteuropa (als Polski Fiat 131p, gebaut bei FSO in Polen), in Portugal und in Lateinamerika (in Argentinien, Costa Rica, Kolumbien und Venezuela), aber auch in Australien (als Super Brava), Asien (u.a. in Indonesien, Malaysia, Singapur und Thailand) und in Afrika (u. a. in Ägypten, Äthiopien, Marokko, Sambia). Nicht wenige Länder verdanken diesem Fiat den Aufbau einer ernsthaften eigenen Automobilfertigung. Auch Tofas in der Türkei vermittelte der Fiat als Murat 131 bzw. Dogan, Sahin und Kartal einen noch erfolgreicheren Höhenflug. Tatsächlich wurden die Tofas wiederum in anderen Ländern produziert, zuletzt 2010 in Äthiopien. Nur die Herzen der Nordamerikaner konnte der Fiat 131 alias Brava nie rühren. Dafür vermittelte er zu wenig Italianità in den Formen, erinnerten diese doch stets ein wenig an den kantigen US-Style jener Jahre.

Randstörungen, die die raffinierte Kombination des Fiat 131 aus robuster Einfachheit (hintere Starrachse, Hinterradantrieb) und sportlicher Faszination nicht berührten. Fiat betrachtete den 131 Mirafiori als „Gladiator“ auf dem Weg zum Langzeitauto, einen „Wagen, der extrem hart im Nehmen ist“, wie die Werbung kommunizierte. Eine Einschätzung, die durch gute Dauertestergebnisse der Fachpresse und die lange Bauzeit bestätigt wurde. Was den Mirafiori nicht davor bewahrte, nach Produktionsende zu schnell vergangen und vergessen zu sein.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: SP-X

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