Volkswagen: Acht Generationen VW Passat

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Benannt wurde er nach jenen von Seglern so geschätzten Tropenwinden, vielleicht weil dieser Volkswagen im Sommer 1973 gleich ganz Wolfsburg auf frischen Kurs bringen musste. „Passat. Mit diesem Auto beginnt etwas Neues“, titelte denn auch die Einführungskampagne zum Mittelklassemodell, das mit moderner Technik und zeitgeistigem Fastback den endgültigen Schlussstrich unter die Heckmotorära des niedersächsischen Autogiganten setzte. Tatsächlich fand der Passat den Pfad aus der Krise, in die der VW-Konzern gestürzt war, nachdem der Käfer den Zenit seiner Erfolgskurve überschritten hatte. Mit wassergekühltem Frontmotor und Vorderradantrieb war der Passat Vorbote von Golf, Scirocco und Polo, jenen jungen Wilden, die in den 1970er Jahren alle konservativen Opel und Ford das Fürchten lehrten. Ganz so wie aktuell die achte Passat-Generation Mondeo und Insignia auf die Plätze verweisen soll – nun aber auch die Businessliner der süddeutschen Premiumrivalen im Visier hat.

Dabei war der erste Passat gar kein waschechter Wolfsburger, sondern wie schon das 1969 von VW übernommene Frontantriebsmodell NSU K 70 das Kind einer anderen Konzernmarke. Diesmal fungierte der Audi 80 als Spender, allerdings musste dessen adrettes Stufenheck einem modischen Fastback weichen. Modelliert hatte den ebenso schrägen wie schicken Passat-Rücken der italienische Modemacher Giorgio Giugiaro – wenngleich er dabei noch nicht an eine Zweitverwertung des Audi 80 gedacht hatte, sondern zunächst an den eigenständigen Volkswagen Prototypen EA 272. Dieser noch frühe Passat-Vorläufer erwies sich jedoch als zu kostspielig und wurde zugunsten des Audi-80-Derivats eingestellt. „Die Formel für schöneres Fahren“, lautete das Werbecredo für den endgültigen Passat mit hübschem Heck.

Allerdings ging Form damals noch vor Funktion, weshalb die eigentlich erwartete praktische Heckklappe erst 1975 ins Fastback integriert wurde, ähnlich verzögert wie etwa bei Citroën GS, Alfasud oder Austin 1800 ADO 71. Immerhin gab es den Passat fast von Anfang als praktischen Kombi „Variant“. Die Karosserievariante, in der bereits der Passat-Vorgänger VW 1500/1600 (1961-1973) besonders erfolgreich gewesen war. Damals sensationelle 2,5 Millionen Einheiten wurden so bereits vom ersten Passat bis 1980 verkauft, über 22 Millionen Fahrzeuge sind es bis heute.

Das nach Golf und Käfer meistverkaufte Volkswagen-Modell aller Zeiten schaffte, was in der Mittelklasse keinem Wettbewerber ähnlich eindrucksvoll gelang: Der Passat wurde ein Bestseller auf allen Kontinenten und begründete überdies den Erfolg der Wolfsburger in China. Dies als millionenfach produziertes Volksauto in der Stufenheckversion Santana. Aber auch Japan, Brasilien, Mexiko oder Südafrika wurden Produktionsstandorte für den Passat.

Die Mittelklasse wurde in allen Winkeln der Welt vertrieben, ganz so wie der Käfer, mit dem VW bis zum Ende der Boxer-Ära sogar Gegenden erreichen wollte, „in denen die Leute noch barfuß laufen“. Während der kompakte Golf vom Konzept offenbar lange zu europäisch war, war der größere Passat ein globaler Verwandlungskünstler, der fast alle regionalen Sonderwünsche erfüllte. So gab es den Passat bereits in der ersten Generation etwa als Dasher für die USA (ab 1974) oder als Variant unter dem Label Audi Fox für angelsächsische Länder (ab 1975). In der zweiten Passat-Generation war die multinationale Modellvielfalt kaum mehr zu überschauen, so zeigte sich der VW für Japan als VW Nissan Santana Autobahn, für Mexiko als Corsar, für Argentinien als Carat und für mehrere lateinamerikanische Länder sogar als Ford Versailles und Ford Royale.

Zurück zum Heimatmarkt. Hier genügte der ersten Passat-Generation ein großes Facelift mit Kunststoffstoßfängern und Golf-Cockpit, um von 1977 bis zum 1980 erfolgten Modellwechsel frisch zu bleiben und die erneuerten Verfolger Opel Ascona B (ab 1975) und Ford Taunus II (ab 1976) auf Distanz zu halten. Hinzu kamen die Vorteile der VW-Gleichteilestrategie, deren Begründer ebenfalls der Passat war. So spendierte der VW-Baukasten dem Passat sowohl den sparsamen 37/50 PS Diesel als auch den schnellen 81/110 PS-Einspritzer aus dem Golf. Der in den Abmessungen deutlich größere Passat B2 präsentierte sich ab 1980 nicht nur in den bereits erwähnten erfolgreichen internationalen Ableitungen, sondern auch mit neuen technischen Features.

Gemeinsam mit der Grundtugend unbedingter Zuverlässigkeit (schon der erste Passat hatte nach Volvo-Vorbild einen sechsstelligen Kilometerzähler) ließ das Innovationsbündel Allradantrieb, Turbodiesel, Fünfzylinder-Benziner und spritsparende Formel-E-Technik (verkaufstechnisch allerdings noch ein Flop) nicht einmal den avantgardistisch designten Ford Sierra in den Zulassungszahlen Anschluss finden.

Mutiges Design wird nicht immer belohnt, diese Erfahrung machte der Passat in der dritten Auflage (1987 bis 1993). Verzichtete er doch auf einen klassischen Kühlergrill. Die als Pellkartoffel-Design verspottete Form revidierte Ferdinand Piëch deshalb mit der vierten Passat-Generation (1993 bis 1997) gründlich. Auf die Fließheck-Version hatten beide Baureihen bereits verzichtet, dafür erfolgte nun eine Höherpositionierung der Limousinen und Kombis. Piëch verpasste dem Passat Premium-Attribute. Zunächst kompakte Sechszylinder, starke und sparsame TDI-Diesel, in der fünften Generation (1996 bis 2005) auch eine vollverzinkte Karosserie, Achtzylinder-Maschine und eine Langversion für staatstragende Auftritte in China. Der Passat als kleiner Phaeton, was auf anderen Kontinenten tatsächlich funktionierte, wollten die deutschen Kunden noch nicht akzeptieren. So blieb die Topversion Passat W8 ein Nischendarsteller, während die klassischen VW-Vierzylinder und TDI-Diesel dafür weiterhin das Flottengeschäft dominierten.

Mit dem von 2006 bis 2009 angebotenen Passat B6 hielt nicht nur das Doppelkupplungsgetriebe in die Wolfsburger Familien- und Firmenfahrzeuge Einzug, der Passat machte sich auch auf neue Art feiner. Als viertüriges Coupé CC präsentierte er sich als preiswerte Alternative zum Mercedes CLS. Ein Imageträger für die bürgerliche Baureihe, mit dem die Volksautomarke bis heute relativ bezahlbaren Premiumchic für die Mitte anbietet. Manchmal ist pures Markenprestige allerdings doch wichtiger als der Preis.

Einen besonderen Erfolg lancierte Volkswagen dagegen mit dem Alltrack in Offroadoptik, der als Derivat der siebten Passat-Generation (2009 bis 2014) eingeführt wurde und sogar auf Märkten wie der Volvo-Heimat und Kombination Schweden für Furore sorgte. Derweil komplettierten in den USA und in China eigenständige und dort produzierte Passat-Modelle das Mittelklasse-Programm von VW. So gleichmäßig und beständig wie die Passatwinde über die Meere wehen, soll nun die achte Passat-Generation die Erfolgsgeschichte der Baureihe fortschreiben. Die Chancen dafür stehen gut, nicht zuletzt weil der jüngste VW keine echten Experimente wagt.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volkswagen, SP-X

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