Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Nun, da wir (fast) alle aus dem kollektiven schwarz-rot-goldenen Siegestaumel aufgewacht sind, stellt sich vielen von uns Auto fahrenden Weltmeistern die Frage: Wohin mit den wochenlang sichtbaren Devotionalien der nationalen Dreifaltigkeit? Als da wären: Fähnchen links, Fähnchen rechts, Fähnchen hinten, Fähnchen vorn. Niedliche Mützchen für die Autospiegel, lustige flatternde Bänder an der Antenne. Alles natürlich in Schwarz-Rot-Gold, versteht sich. Denn das war doch das Mindeste, was man unseren (natürlich nicht irgendwelchen) Jungs im Regenwald an virtueller Unterstützung angedeihen lassen konnte.

Okay, bis Montag dieser Woche war ja noch in Ordnung. Denn bis zwei Tage nachdem die Gauchos in den Kriechgang geschickt wurden, stand ja noch gemeinsames Feiern in Berlin auf der Agenda und uns ja allen zu, in gemeinsamer weltmeisterlicher Gesinnung selbige auch an unseren mobilen Alltagsbegleitern zur Schau tragen zu dürfen. Aber jetzt? Nun, da der ehrwürdige, die Arme ausbreitende Cristo redentor auf dem Corcovado nicht mehr den schamlosen Blicken der Kicker-Touris aus aller Herren Länder ausgesetzt ist, müssen wir uns ernsthaft überlegen: Was tun und wohin mit all den lustigen Fähnchen, Mützchen und Bändchen?

Bei der Frage nach der Entsorgung des Weihnachtsbaumes gibt es immer eine zeitliche Vorgabe, Eine gewisse Schamfrist, so zu sagen. Das vor sich hin nadelnde dürre Gehölz, das einmal ein stolzer Engel- und Lametta-Träger gewesen war, sollte spätestens bis zum heiligen Dreikönigstag die via dolorosa in Richtung Kleinholz für den sommerlichen Grillabend eingeschlagen haben. Spätestens am 6. Januar, so steht es nämlich in der weihnachtlichen Benimm-Regel, muss der Baum weg sein. Wo aber findet der geneigte Fußball-Fan einen Knigge, der ihm sagt, ab wann er nicht mehr als Einzelteil eines siegreichen Autokorsos durch die Lande fahren sollte?

Dazu müsste zunächst einmal eine zeitliche Selbstbestimmung erfolgen – heißt, die Frage beantwortet werden: Befinden wir uns noch in der post-historischen WM-Phase oder blicken wir bereits der prä-historischen EM-Vorbereitung entgegen? Immerhin wird in gut zwei Jahren der neue Europameister gesucht. Und da gehört es sich natürlich als eifriger Grenzgänger dem Nachbarn im Westen zu zeigen, wer wir sind und was wir (übrig) haben. Übrig von der WM 2014, meine ich. Wem es also ernst damit ist, der sollte einen Teufel tun und sein Fahrzeug der nationalen Blöße hin zu geben. Wer weiß, wofür es gut ist.

Antworten auf diese schwer wiegenden Fragen der Gestaltung Ihres Automobils müssen Sie, liebe Leserinnen und Leser, natürlich selbst finden. Wer sich nicht so recht darüber klar ist, in welcher kalendarischen Grauzone er sich nun befindet – also nach der WM oder vor der EM, der muss das mentale Drehmoment ja nicht jetzt schon hoch fahren. Ist ja alles erst ein paar Tage her.

Ganz gleich, für welche Variante Sie such auch entscheiden mögen,Ich wünsche Ihnen wie immer ein angenehmes WochenendeIhr Jürgen C. Braun

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