Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Haben Sie auch schon einen der immer wieder periodisch auftretenden bunten Zeitgenossen gesehen in den vergangenen Tagen? Genauer gesagt sind sie eigentlich nicht richtig bunt, sondern nur dreifarbig: in Schwarz-Rot-Gold. Immer, wenn unsere kickenden Ball-Millionäre sich irgendwo auf der Welt die wohlverdiente Sommerpause der Bundesliga mal wieder mit einer Weltmeisterschaft vergällen, machen ihre „Followers“ (so heißt das wohl heute im Twitter-Denglisch) auf ihre eigene Art und Weise mit. Niedliche Schwarz-rot-goldene Mützchen für die Außenspiegel. Oder auch munter im Wind flatternde Fähnlein links und rechts der im dezenten Mülltüten-Grau gehaltenen Fronthaube.

Ein kleiner Schuss Nationalbewusstsein ohne chauvinistisches Gehabe darf es schon sein in diesen Tagen. Zwar beginnt das Preis-Kicken im Banne der Copacabana erst in der nächsten Woche, aber so ein bisschen Schaulaufen – pardon, Schaufahren – mit allem was das Autofahrer-Herz in Schwarz-Rot-Gold zu bieten hat, kann ja im Vorfeld nicht schaden. Vielleicht hilft es Jogis Jungs ja irgendwo in ihren kargen Jugendherbergs-Appartements powered by Mercedes-Benz.

Manche ballverliebten Verkehrsteilnehmer belassen es nämlich nicht beim Einkleiden für die Spiegelhauben oder der selbstgebastelten Standarte in den drei Farben. In dieser Woche habe ich in meinem Heimatort einen Bekannten dabei gesehen (erwischt?), als er seinen auf der Rücksitz-Lehne drapierten Fan-Schal seines Lieblings-Klubs aus der Bundesliga gegen einen Deutschland-Schal eingetauscht hat. Wenn ich mich nicht irre, ist er sogar so akribisch bei der Anbringung desselben vorgegangen, dass der Bundesadler – früher nannten wir den mal Pleitegeier – genau in der Mitte der Auto-Rückansicht zu liegen kommt. Akkuratesse pur eben.

Fest steht jedenfalls: Wenn die Unsrigen erst mal gegen den Ball getreten haben bei der globalen Sommerparty vom Blatter-Sepp, wird der Patriotismus-Pegel auf der nach oben offenen Richter-Skala des Jogimeters wieder in ungeahnte Höhen schnellen. Dann werden wir es vielleicht auch mit den Briten aufnehmen können. Dort sollen, so eine soziologisch-empirisch Studie, angeblich nicht nur die klassischen schwarzen Londoner Taxis (in der Regel ein Austin FX4), sondern sogar jedes zweite Privatauto mit einem Union Jack unterwegs sein.

Was aber nichts heißen will in einem Land, in dem zu WM-Zeiten Wayne Rooneys Haarteil schon den Status einer bemoosten Reliquie erreicht hat. Zumindest bis zum nächsten Elfmeter-Schießen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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