Test-Tour: Hyundai Veloster Turbo

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Alles schon mal da gewesen bei einem Fahrbericht über ein neues Auto? Langatmige Ausführungen etwa über das Antriebsaggregat, über die ach so gelungene Optik, über den äußerst variablen und pfiffig gestalteten Innenraum. Oder vielleicht doch lieber über neue Assistenz- und Sicherheitssysteme oder über das ausgezeichnete Preis/Leistungs-Verhältnis?

Ja, sicher alles schon mal dagewesen als Einstieg über persönliche Erfahrungen mit einem Automobil. Aber die Anzahl der Fenster und Türen als sogenannten Aufhänger wählen, um sich dem Text zu nähern, nein, das war noch nicht da gewesen. In diesem Falle aber – es geht um den Hyundai Veloster Turbo – bietet sich das nicht nur an, es drängt sich geradezu auf. Zwei Fenster auf der Fahrerseite, eines dagegen nur auf der Seite des Beifahrers. Und das Gleiche gilt für die Türen. Erstens: Das war noch nicht! Und zweitens: Warum also jetzt?

Das koreanische Sportcoupé also als eigenwillig zu bezeichnen, ist gelinde gesagt, eine Untertreibung. Und so fragt sich der geneigte Fahrer dieses Fahrzeugs: Die müssen sich doch was dabei gedacht haben, die Koreaner: ein Auto mit zwei Fenstern und Türen auf der einen, aber jeweils nur einem auf der anderen Seite zu bauen. Oder wollten die einfach mal einen Gag auf dem Markt landen, um auf sich aufmerksam zu machen. Frei nach dem Motto: Heute sind wir mal ein bisschen durchgeknallt. Da ohnehin jeder Autor in so einem Fall den Hersteller, bzw. dessen Presseabteilung, nach dem Grund fragt, versuchen wir einfach mal selber drauf zu kommen.

Fahrer empfinden den Verzicht auf die B-Säule, die etwas den Blick zur Seite und nach hinten, versperrt als angenehm. Das aber geht nicht bei einem Vier-, sondern nur bei einem Zweitürer, weil dann die Seitenscheibe auf der Fahrerseite größer ist. Möchte man jedoch Kinder oder irgendwelche Mitbringsel in dem zweitürigen Coupé verstauen, geht das nur unter mühseligem und nervigem Hin und Her des Fahrersitzes oder der Rückenlehne. Dann wünscht man sich plötzlich wieder eine hintere Tür. Die es aber nun einmal leider nicht ohne B-Säule gibt.

Und genau hier kommt das Türenkonzept „2+1“ ins Spiel und löst dieses Problem. Genial einfach oder einfach genial. Drauf kommen muss man halt. Die Choreographie der asymmetrischen Anzahl von Türen und Fenster ist aber nicht das einzige eigenwillige Design-Detail dieses Korea-Bombers. Bei genauerem Hinsehen fällt auch die zweigeteilte, sehr große, Heckscheibe auf. Solche Ausblicks-Gelegenheiten mutieren in Fahrzeugen dieser Art des öfter zu Schießscharten, denen jeder Blick fürs Wesentliche und fürs Machbare abgeht: Fürs Hindurchschauen nämlich. Auch die Fondpassagiere haben dadurch das Gefühl, nicht bei der Neuauflage des Fernsehklassikers „Die Höhlenkinder“ eine Hauptrolle ergattert zu haben. Ein wenig mehr an Kopfhöhe aber hätte den Mitfahrern in der zweiten Reihe sicherlich gut getan. Wer über 1,80 Meter groß ist, hat Probleme.

Bei derlei Absonderlichkeiten bleiben Fragen der übrigen Verkehrsteilnehmer nach dem Wie, dem Woher und vor allem nach dem Warum des Fahrzeugs nicht aus. Kurzum, Zeitgenossen, die den Mut und auch den Wunsch haben, sich etwas aus der zähen breiigen Masse des Design-Allerleis abheben zu wollen, werden an diesem Auto ihre helle Freude haben. Auch, weil die gesamte Optik – inklusive des mächtigen Doppelrohr-Auspuffendrohrs – nicht als überkandidelter Selbstzweck erscheint, sondern auch einen durchaus ernst zu nehmenden, praxisbezogenen, Hintergrund hat.

Da dieses Auto regelrecht dazu verlockt, sich hinein zu setzen, um auf virtuelle Erkundungsfahrt im Interieur zu gehen, hat sich Hyundai an die gängigen Qualitätsmerkmale gehalten: Anmutung und Verarbeitung der verwendeten Materialien lassen keine Wünsche übrig. Wie in der gesamten Modellfamilie ist die Zeit der lieblosen und klappernden Hartplastik-Landschaft bei den Südkoreanern vorbei. Davon zeugt auch eine zu dem Sportcoupé sehr gut passende Pedalerie aus gebürstetem Edelstahl, und gut verarbeitete Ledersitze mit viel Seitenhalt und langen Auflageflächen.

Mit dem aufgeladenen, 1,6 Liter großen, Vierzylinder-Motor hat Hyundai auf die Kritik am Sauger-Modell mit vergleichsweise bescheidenen 140 PS reagiert. So kommen mit Hilfe des 184 PS starken Direkteinspritzers immerhin 214 km/h Höchstgeschwindigkeit (Herstellerangaben) zustande. Allerdings vermisst man doch, dass irgendwann nach dem Verlassen des Drehzahl-Kellers bei einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal so eine Art „Rrrums-Effekt“ kommt. Irgend etwas, das einen ähnlichen Adrenalin-Spiegel frei setzt, wie das beim Anblick des ziemlich aus der Reihe des Hyundai-Angebotes tanzenden Fahrzeugs der Fall ist.

Nicht ganz glücklich gelöst ist die Möglichkeit zum Beladen des Kofferraums. Die recht hohe Ladekante erschwert das jedenfalls. Auch ein Start/Stopp-System ist leider selbst auf Wunsch nicht zu haben. Da könnte Hyundai nachbessern für ein Auto, das ein echter Hingucker mit Alleinstellungsmerkmal ist und das seinem Fahrer einen Schuss Individualität verleiht. Und dies zu vergleichsweise günstigen 24.790 Euro Einstiegspreis in der Ausstattung „Style.“

Text und Fotos: Jürgen C. Braun

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