Heidi Hetzer: Weltreise verschoben

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„Wie so vieles in Berlin: Es wird ein bisschen später und ein bisschen teurer.“ Das sagt Heidi Hetzer, die Grande Dame des Motorsports. Fast ein ganzes Leben lang hat sie auf andere Rücksicht genommen: Auf ihre Mitarbeiter (als größte Opel-Händlerin in Berlin), auf ihre Familie, auf die Organisatoren der unzähligen Rallyes, die sie gefahren ist – die Rallye Monte Carlo, die Düsseldorf-Peking, die Panamericana, um nur einige zu nennen.Und jetzt – mit fast 77 – möchte sie endlich mal etwas nur für sich tun. Auf niemanden hören müssen, keine Begleitfahrzeuge, keine Film-Teams und nur einen groben Zeitplan haben.

Sie will auf Weltreise gehen. Mit ihrem Oldtimer, einem Hudson Grand Eight von 1930. Und bis letzte Woche stand auch schon fest, mit wem sie dieses Abenteuer erleben möchte: Mit dem deutschen Rallyemeister Reinhard Hainbach. Sie waren sich schon über alle Details einig – und trotzdem hat Reinhard die Rechnung ohne den Wirt (genauer: den Arzt) gemacht. Der nämlich hat ihm verboten, zwei Jahre in einem Auto zu sitzen. Auch wenn es einen Spezialsitz hat. Reinhard hatte vor zwei Jahren einen schweren Unfall, bei dem empfindliche Teile des Rückgrats in Mitleidenschaft gezogen waren. Und für den langes Sitzen Gift ist. Schweren Herzens musste er absagen,„Ich habe zwei Wochen lang nur geheult“, sagt uns die taffe Heidi. „Er ist so gut in alles eingeweiht. Aber die Gesundheit geht natürlich vor.“

Und so sucht sie jetzt einen neuen Co-Piloten. Sie ist sich darüber im Klaren, dass es keiner sein kann, der sie die ganzen zwei Jahre auf ihrer Weltreise begleiten kann. Deshalb möchte sie gerne jemanden finden, der etappenweise auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. Dazu muss er natürlich von Deutschland an irgendeinen Punkt ihrer Reise hinfliegen und von irgendwoher auch wieder zurückfliegen. Das macht die Sache auch teurer.„Das wichtigste für mich ist aber, dass dieser Jemand keine zwei linken Hände hat, dass er sich mit Internet und Kamera auskennt, sprachbegabt ist und vor allem: Dass man mit ihm lachen kann.“

Die Kommunikation ist ihr sehr wichtig. Heidi selbst ist eine übersprudelnde Persönlichkeit mit ganz viel Emotionen. „Auto“ ist ihr zweiter Vorname. Sie sagt gerne von sich: „Ich kann nur Auto.“„Wenn der Motor mal nicht brummt, ist es für mich zweitrangig. Als Kraftfahrzeugmechanikerin kann ich eine Menge selbst reparieren, aber ich möchte gerne jemanden an meiner Seite haben, der sich mit mir freuen kann und der auch mit mir leidet, wenn mal was nicht so fluppt.“Dieser „Jemand“ müsste sich aber beeilen, mit ihr Kontakt aufzunehmen, denn wenn diese Jemand zum Beispiel mit ihr durch China fahren möchte, ist der 14. Juni 2014 der letzte Tag, an dem er ein Visum beantragen muss.Das ist aber erst ein Grund, warum sie ihre geplante Weltreise verschieben muss. Der zweite Grund ist noch wichtiger: Der Hudson ist noch nicht fahrbereit. Hat noch Probleme mit dem Zylinderkopf.

Deshalb wird es nichts mit dem geplanten Start am 22. Juni 2014. Das ganze Abenteuer ist jetzt verschoben auf Sonntag, den 27. Juli 2014. Start ist am Brandenburger Tor, aber selbst die genaue Uhrzeit ihrer Abreise gibt sie nicht bekannt: „Ich will einfach nicht mehr eine Uhr im Nacken haben, das habe ich mein Leben lang gehabt.“

Sie fährt diese zwei Jahre dauernde Route auf den Spuren der Clärenore Stinnes, die 1927 als erster Mensch überhaupt eine Weltumrundung unter die Räder ihres „Adler“ genommen hat. Über diese Reise gibt es einen Dokumentar- und einen Spielfilm. Gedreht von Carl-Axel Söderström, der sie auf dieser Reise um die Welt begleitete, den sie nach ihrer Reise geheiratet hat und fortan ein ländliches Leben in Schweden führte.Clärenore stammte aus einer deutschen Industriellen-Familie und war schon früh autobegeistert – genau wie Heidi, die jetzt mit 77 ihren Spuren folgen möchte. Nun, es wird komfortabler sein als damals, denn die Straßen sind erheblich besser geworden. Es läuft einem der Schauer über den Rücken, wenn man den Film sieht und die damaligen Verhältnisse auf den Wegen sieht, die man „Straßen“ nannte.

Einen weiteren nicht zu verachtenden Vorteil hatte Clärenore aber doch noch: Als Tochter aus dem Hause Stinnes hatte sie einen Diplomatenpass und brauchte nicht für jedes Land ein Visum, Vitamin B half also auch damals schon.Was nimmt man denn so alles mit auf eine Weltreise? Nun, da ist Heidi ganz bescheiden: Zwei Jeans, zehn T-Shirts, und das wird unterwegs gewaschen. Sie will auch keinen Sponsor, denn was sollte sie zum Beispiel mit einer Hotelkette anfangen? Wenn sie mitten in der Mongolei zum Bespiel ein Steigenberger suchen müsste? Nein, sie schläft in solchen Häusern, die am Weg stehen, oder im Auto.

„Ich will auch keinen Overall anziehen“, sagt sie. „Der ist zwar praktisch, wenn man unterwegs ist, aber stellen Sie sich mal vor: Den muss ich ja auch immer umständlich an- und ausziehen. Nein, das will ich mir nicht antun.“Als Waffe führt sie einen Baseballschläger mit sich. Ob sie denn auch eine Pistole mitnimmt, wurde sie gefragt. „Um Himmels willen: Nein! Wenn ich ein Schießeisen mit mir führe, wäre meine Weltreise im nächsten Land schon zu Ende. Damit komme ich über keine Grenze.“Und Grenzen will sie eine ganze Menge überschreiten: Europa – Asien – Australien – Afrika – Amerika und wieder zurück nach Berlin.

„Ich habe sogar meine Wohnung für die zwei Jahre vermietet“, erklärt Heidi ihr Organisationstalent.Auf ihrer Reise wird sie nach heutigem Plan 52 Länder bereisen und alle fünf Kontinente. Sie möchte in erster Linie Land und Leute besser kennenlernen und hat auch schon eine Frage in vielen Sprachen parat: „Was würden Sie machen, wenn heute Ihr Geburtstag wäre?“Heidi wird nicht den ganzen Trip auf dem Landweg machen können. Hin und wieder braucht sie ein Schiff.„Es war ziemlich schwierig, einen See-Transport zu finden, der nicht nur mein Auto, sondern auch mich mitnimmt“, erklärt sie. „Die Containerschiffe nehmen nur Sachen, aber keine Personen mit. Aber ich lasse mein Auto nicht alleine.“

So ist sie, die Heidi. Wenn sie etwas macht, macht sie es ganz oder gar nicht. So will sie mit dieser Weltreise allen Menschen – nicht nur denen die in ihrem Alter sind – ein Beispiel geben: „Macht was! Tut was! Irgendwas Verrücktes. Aber hebt Eure Hintern von der Couch. Die Welt wartet.“Übrigens macht sie ihren Co-Piloten auch eine ganz klare Ansage: „Spätere Heirat ausgeschlossen.“

Text und Foto: Jutta Sein

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