20 Jahre wie ein Tag: Das „schwarze Wochenende“ von Imola

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Es ist, als wäre es vorgestern gewesen: Der 30. April und der 1. Mai 1994 gelten noch heute als das „schwarze Wochenende von Imola“ in der Formel 1. Neben der Katastrophe von Le Mans 1955, als 88 Menschen ihre Leben auf den Tribünen an der Sarthe ließen, hat der Tod des österreichischen Piloten Roland Ratzenberger am Samstag und vor allem das jähe Ende eines der größten „Helden der Rennstrecke“ ein unauslöschliches Datum in die Geschichtsbücher des Motorsports geschrieben. Noch heute ist die Erinnerung an den größten Rennfahrer-Sohn Brasiliens unauslöschlich, an Ayrton Senna, der im „Autodromo Enzo e Dino Ferrari“ an jenem ersten Tag im Mai des Jahres 1994 sein junges Leben in einer der gefährlichsten und gefürchtetsten Kurven der Formel 1 auf schreckliche Weise beendete.

Der immer ein wenig verschlossene und fast schon verschüchtert wirkende schwarze Lockenkopf Senna ist bis zum heutigen Tag das letzte Todesopfer während eines Grand Prix. Der Tod des brasilianischen Volkshelden in Imola lieferte der gesamten Formel 1 den ebenso notwendigen wie traurigen Impuls, die Sicherheit der Rennserie gravierend zu überdenken. Es ist die Tragik jener Menschen, die im Schatten jener Lichtgestalten ihr Dasein fristen, dass oft nicht nur von ihrem Leben, sondern sogar nur von ihrem Tod nur noch als Randnotiz Kenntnis genommen wird.

So erging es auch dem Salzburger Roland Ratzenberger. Er hatte sehr spät damit begonnen, seinen Formel-1-Traum zu leben. In Imola war es sein drittes Grand-Prix-Wochenende und, nachdem er sich beim Saisonstart in Brasilien nicht qualifizieren hat können, fieberte er überhaupt erst seinem zweiten Formel-1-Rennen entgegen. Aber Ratzenberger fuhr für den schon damals maroden englischen Simtek-Rennstall. Dessen Fahrzeuge waren Billigmodelle, das Material war völlig veraltet, selbst die Ersatzteile waren teilweise auf dunklen Kanälen gebraucht angeschafft worden. Beim Qualifying für den „Grand Prix von San Marino, brach bei 320 km/h ein Teil des Frontflügels weg. Der Austria-Mann hatte keine Chance.

Nur 24 Stunden nach dem tödlichen Unfall von Roland Ratzenberger folgte das nächste persönliche Drama, dem die Öffentlichkeit jedoch einen weitaus breiteren Raum zugestand. Aufgrund des Namens und der Person des Betroffenen eben. Am 1. Mai 1994, es war in der Curva Tamburello, brach am Williams FW16 von Ayrton Senna (34) die Lenkstange. Der Rennwagen detonierte ungebremst und mit völliger Wucht an einer Betonmauer. Der dreifache brasilianische Weltmeister wurde von seinem rechten Vorderrad erschlagen …Er war der letzte in einer langen Reihe klangvoller Namen, die in fast dreieinhalb Jahrzehnten in der Raserei ihr (meist sehr junges) Leben ließen. Denn seit dem blutigen Wochenende von Imola ist kein Formel-1-Fahrer mehr tödlich verunglückt. Vieles hat sich getan seitdem, was die Bedingungen für die Fahrer in punkto Sicherheit verbessert. Der damalige FIA-Präsident Max Mosley kämpfte nach Sennas Tod vehement für mehr Schutz im Rennsport und gründete dafür sogar ein eigenes Institut. Unter der Leitung des verstorbenen Formel-1-Arztes Sid Watkins trieb die Einrichtung die Unfallforschung und die Entwicklung von Gegenmaßnahmen voran.

Eine mit Schaumstoff gefüllte Kopf- und Nackenstütze schützt seit Jahren die Fahrer. Es wird spekuliert, dass Ratzenberger seinen Unfall in Imola womöglich überlebt hätte, wenn es damals schon das sogenannte HANS-System gegeben hätte.Immer wieder verschärfte Crashtests, größere Cockpits mit herausnehmbaren Sitzen, an Halteseilen befestigte Räder – immer umfassender werden die Vorschriften. Modernere und widerstandsfähigere Materialien für die Monocoques, bessere Helme, mehr Auslaufzonen und strengere Regularien für die Strecken sind auch das Resultat des Engagements verantwortungsbewusster Piloten und des Weltverbands FIA zur Begrenzung der Risiken der Raserei.
Doch den hundertprozentigen Schutz für die Männer in den rasenden Einbäumen wird es nicht geben können. Das zeigte sich erst vor wenigen Jahren, als Ferrari-Pilot Felipe Massa von einer Metallfeder, die sich vom Auto seines vor ihm fahrenden Landsmanns Rubens Barrichello gelöst hatte, am Kopf getroffen wurde und er dabei schwere Verletzungen am Auge erlitt.
Nichts kann mich von der Liebe Gottes trennen, steht auf dem Grabstein Sennas – und vielleicht war es dieser unerschütterliche Glauben, der ihm die Kraft gab, Unmögliches zur Erfahren, wider die Logik der Physik und des Diesseits.

Recherche und Text: Jürgen C. Braun

2013 erschien die ausführliche Biographie Ein Leben am Limit: Senna von Tom Rubython. (Delius Klasing Verlag; 29,90 Euro).

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