Test-Tour: Vespa Sprint 625

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Italiens Hauptstadt ist zweiradverseucht – im positiven Sinne. Es gibt nur wenige Metropolen, die Rom den Status als Welthauptstadt des Motorroller-Verkehrs den Rang streitig machen könnten: Barcelona, Paris und Mailand gehören dazu. Aber welche Stadt passt besser zum ewigen Erfolg der Vespa als die Ewige? Insbesondere an einem Tag, an dem sich der US-Präsident dort aufhält, sind die denkbar besten Voraussetzungen gegeben, um die Vorteile eines wendigen Motorrollers augenfällig werden zu lassen. Und so wühlen wir uns denn mit der 125er Version der neuen Vespa Sprint durch ein ununterbrochenes Verkehrsknäuel.

Vespa Sprint? Ja, ein solches Modell gab’s schon mal. 1965 brachte Piaggio zum ersten Mal einen Roller mit dieser Bezeichnung auf den Markt: die Vespa 150 Sprint. Bis in die Mitte der 1970er Jahre war diese etwas sportivere Version der normalen Vespa im Angebot. Jetzt gibt es wieder eine Sprint. Von der Ende 2013 präsentierten Vespa Primavera unterscheidet sie sich nur in zwei Details: Ihr Scheinwerfer ist nicht rund, sondern eckig. Und ihre Aluminium-Gussräder sind etwas filigraner gestaltet und messen im Durchmesser 12 statt elf Zoll. Erstmals rollt damit eine Vespa mit sogenanntem „small body“, also kleiner Karosserie, auf (verhältnismäßig) großen 12-Zoll-Rädern. Dazu später mehr. Ach ja, noch ein Unterschied: Die Sprint-Version ist mit 4.250 Euro um 200 Euro teurer. Als Ausgleich erhalten Käufer die fraglos hübscheste Vespa, die es je gab.

Roms Straßen sind ein Martyrium für Fahrwerke – von Autos wie von Zweirädern und für deren Fahrer: Kopfsteinpflaster, Löcher, Verwerfungen, Risse, Straßenbahnschienen – Rollerfahren in Rom ist, so gesehen, wirklich kein Vergnügen. Erstaunlicherweise meistert die Vespa Sprint diese Tortur anstandslos: Das Fahrwerk mit 7,8 Zentimeter Federweg vorne und 7 Zentimeter hinten filtert grobe Stöße wie feine Schläge gleichermaßen gut weg, soweit das technisch überhaupt möglich ist. Dabei bietet der im Vergleich zu sogenannten Großradrollern mit 16-Zoll-Bereifung noch immer relativ kleinen Räder eine gute Stabilität bis zur Grenzgeschwindigkeit von etwa 80 km/h; höheres Tempo ließ Roms Innenstadt an Präsident Obamas Besuchstag sowieso nicht zu. In punkto Wendigkeit sind die Unterschiede zwischen Primavera (Elf-Zoll-Räder) und Sprint vernachlässigbar gering, in der Fahrstabilität müssten wir den direkten Vergleich bemühen, was am Testtag aber nicht möglich war. Doch auch hier trennen die Geschwister ganz sicher keine Welten.

Freilich zeigte der Rom-Test auch, dass die nun 130 Kilogramm wiegende Vespa Sprint 125 mit ihrem 7,9 kW/10,7 PS leistenden Dreiventil-Einzylindermotor nicht üppig motorisiert ist. Zwar kommt sie an den Ampeln gut aus den Startlöchern, weil die CVT-Automatik die Gasbefehle geschmeidig in Vortrieb umsetzt, doch fehlt ihr jene Spritzigkeit, die das Wort „Sprint“ erwarten lässt. Nein, ein Sprinter ist diese Version genauso wenig wie die reguläre Primavera, eher erscheint sie vielleicht sogar einen Tick müder als jene.

Viel Technik-Ausstattung erhalten Vespa-Käufer nicht: Piaggio beschränkt sich auf das, was unbedingt sein muss. Doch diese Details machen qualitativ einen guten Eindruck: Das gilt für die Chrom-Spiegel genauso wie für den Sitzbezug, die Bedienung der Frontklappe oder den Stauraum unterm Sitz. Der fasst angenehmerweise auch ausgewachsene Helme. Dass die Vespa als einziger Roller der Welt eine Stahl-Karosserie aufweist, gereicht ihr zum Vorteil, denn die daraus resultierende Verwindungssteifigkeit kommt auf den schlechten Straßen Roms eindrucksvoll zur Geltung. Im gut ablesbaren, aber sparsamen Instrumentarium findet sich nicht mehr als Tacho, Wegstreckenzähler und eine Zeituhr. Die Schalter für Licht, Blinker etc. rasten gut und sind auch optisch gelungen. Dass keine Steckdose im Frontfach geliefert wird, ist allerdings nicht gerade kundenfreundlich.

Schön wäre auch, wenn Piaggio für die neueste Vespa-Generation ein ABS liefern könnte. Wie lange es noch dauert, bis am Firmensitz in Pontedera die Voraussetzungen für die Installation wenigstens eines Einkanal-Systems geschaffen sind, das zumindest das Vorderrad im Zaum hält, gehört zu den ewigen Geheimnissen Italiens.

Ach ja: Die neue Sprint-Version gibt es nicht nur in vier sehr hübschen, frischen Farben sowie in Schwarz, sondern, wie die Primavera, auch als Mokick-Roller mit 50 Kubikzentimetern Hubraum. Dabei hat der Kunde die Wahl zwischen dem dezenten Viertaktmotor und dem rätätädengg-Zweitakter; beide leisten mit 3,2 kW/4,4 PS gleich viel bzw. wenig und kosten mit 3.350 Euro auch gleich viel. Die 50 ccm-Versionen sind ab April lieferbar, die 125er wird es kurze Zeit später geben.

Trotz der selbstbewussten Preisgestaltung zweifeln wir nicht, dass die Sprint sich ein großes Stück aus dem Primavera-Kuchen herausschneiden wird: Nie war eine Vespa hübscher anzusehen. Nie ließ sie sich zudem angenehmer fahren. 190.000 Vespas hat Piaggio im letzten Jahr produziert, 2004 sind es noch 58.000 gewesen. Dass der jüngste Absatzerfolg eine Marke für die Ewigkeit gewesen wäre, ist nicht zu erwarten, denn erst dieses Jahr wird sich die Umstellung auf die neueste Generation wirklich positiv auswirken.

Text: Spot Press Services/Ulf Böhringer
Fotos: Piaggio, SP-X

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