Selbst-Erfahrung: KÜS testet den neuen Rallye-Opel „R2“

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Opel hat eine große Tradition im Rallyesport: Deutschlands Rallye-Legende Walter Röhrl, Ex-Europameister Joachim „Jochi“ Kleint oder der beste Pilot aus der rot-weiß-roten Alpenrepublik, Österreichs Sepp Haider: Sie alle fuhren auf verschiedenen Fahrzeugen der Rüsselsheimer zu Meisterschaften und Meriten. Dann wurde es lange Zeit still um die Marke mit dem Blitz in der „Formel 1 des kleinen Mannes“, wie der Rallyesport auch genannt wird. Bis Opel im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem ADAC auf Basis des City-Flitzers „ADAM“ den „ADAC Opel Rallye Cup“ ins Leben rief.

Zunächst mit einer 140 PS starken Variante und seit diesem Jahr mit der Weiterentwicklung, dem „ADAM R2“ vollzog Opel den Neuanfang. Mit dem „R2“ treten zwei junge hoffnungsvolle Piloten als „Opel Rallye junior Team“ in diesem Jahr unter anderem bei der Rallye-Europameisterschaft und bei der Rallye Deutschland an. KÜS-Autor Jürgen C. Braun, der zwar keine Aufnahme mehr in das „Junior Team“ finden kann, durfte den neuen „R2“ in dieser Woche auf einer Wertungsprüfung der Wartburg-Rallye in der Nähe des Opel-Standortes Eisenach testen.

Gegenüber der Einstiegsvariante kommen nicht nur satte 50 PS (also etwa ein Drittel an Leistung), sondern auch ein vollkommen anderes Fahrverhalten hinzu. „Das Fahrwerk aus dem Cup-Auto des vergangenen Jahres war so eine Art Eier legende Wollmilchsau, also für jeden Untergrund geeignet. Dieses Fahrwerk für den R2 ist dagegen ungeheuer individuell einstellbar“, erklärt Rallyeprofi Horst Rotter, der die Entwicklung des Fahrzeugs mit betreut hat. Zunächst aber gilt es, die „Verdosung“ des Piloten in den Käfig unter schlangengleichen Bewegungen vor zu nehmen. Meine furchtlose Bewältigung dieser Aufgabe hätte wohl der Aufnahmeprüfung im Zirkus Sarrasani zur Ehre gereicht.
In der Früh herrschen an diesem Tag am Rennsteig noch Temperaturen um den Gefrierpunkt. Auf der Strecke ist leichter, angefrorener „Zuckerguss“. „Das wird leicht schmierig werden, wenn die Sonne raus kommt“, denke ich mir. Vor uns liegt die Wertungsprüfung, ein ansteigendes Asphalt-Geschlängel mit scharfen Kurven. Den Aufschrieb für die abgesperrte Strecke, das sogenannte „Gebetbuch“ des Rallyefahrers, haben wir bereits am Vorabend erstellt.

Die Service-Crew von Opel Motorsport hat im eigenen Zelt mit Lkw schon am Vorabend Station bezogen und den „R2“ mit dem für diese Verhältnisse entsprechenden Reifenmaterial ausgestattet. Den segensreichen Auswirkungen moderner Rallyetechnik sei Dank, habe ich den linken Fuß, der in der Regel zum Bedienen des Kupplungspedals vorgesehen ist, in Gedanken „abgeschnallt“ und bediene mich der bekannten Technik des sequenziellen Getriebes. Was heißt: Gänge im Bruchteil von Sekunden rein knallen, das ultraleichte Pedal zurück schlagen lassen, und dann zerren die 190 Pferdestärken mit brachialer Gewalt an der Vorderachse. Es beginnt der Tanz mit Händen und Füßen, Multitasking an der Pedalerie und am Volant.

Ich bin, festgezurrt fast bis zur Bewegungsfähigkeit in der Karbonschale namens Sitz, „gespannt wie ein Flitzebogen“ auf Stufe zwei des Rallyeprogramms von Opel und ADAC. „Wenn wir damit keinen zweiten Röhrl finden, dann nie mehr“, hatte ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk dem Projekt vor Jahresfrist mit auf den Weg gegeben. Der „R2“ schießt mit einer Mischung aus infernalischem Röhren und Brüllen in die erste Bergaufpassage. Jetzt gilt es, Hände, Füße, und Kopf miteinander in Einklang zu bringen: Blick auf die Strecke, hören auf den Co, arbeiten am vibrierenden Lenkrad, reinknüppeln der Gänge, dazu ein gefühlter Cha-Cha-Cha auf den trocken geriebenen Pedalen.
Auf dem Untergrund, bestehend aus Asphalt, leicht angefrorenem Böschungsmatsch und einigen schon recht schmierigen Passagen in der frühen Morgensonne, ist die Umsetzung unseres „Gebetbuches“ nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch eine Mutprobe. Das „Anstellen“ des Autos und das Schneiden der Kurven, der so genannte „Cut“, führt zu wildem Hüpfen und Schlingern unseres Sportgerätes. Nein, bei allem Ehrgeiz, ich merke: Fürs Junior Team reicht es nicht mehr. Und das, was ich vor vielen Jahren selbst mal aktiv im Rallyesport bewegt habe, war eine völlig andere Welt.

Für die Marke Opel ist dieses Rallyeprogramm ein wichtiger Baustein der Markenstrategie. Der Adam, und nichts anders ist ja auch diese geschärfte Variante, ist das Signal an junge Käuferschichten, dass Opel nach langer Abstinenz im Motorsport wieder zurück ist. Jörg Schrott, Motorsportdirektor des Hauses Opel, ist dementsprechend zufrieden: „Unsere Kundensport-Projekte wie der ADAC Opel Rallye Cup treffen den Zeitgeist und kommen gut an. Die Resonanz seitens Fans, Teilnehmer und Handel war überwältigend.“ Unsere auch. Und das auch morgens kurz nach Sonnaufgang am eiskalten Thüringer Rennsteig. Zu Risiken und Nebenwirkungen frage ich meine Bandscheiben und allerlei andere mehr oder weniger sinnvolle Innereien …

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Opel Motorsport

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