Volkswagen: 40 Jahre Golf

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Volksautos, die auszogen, um den Käfer zu killen, gab es in Massen und dies von fast allen großen Marken. Letztlich aber scheiterten sie sämtlich. Den betagten Wolfsburger Produktionsweltmeister konnten keiner zur Strecke bringen; erst die Zeit, die über ihn hinwegging, bedeutete allmählich das Ende für die Vorkriegskonstruktion mit Heckmotor. Eine Evolution war nicht mehr möglich, also musste eine Revolution her. Die Stunde des Golf war gekommen. Gezeichnet vom italienischen Stardesigner Giorgio Giugiaro begründete der Golf das neue Segment der Kompaktklasse mit den Kennzeichen Frontantrieb, quer eingebauter Motor und Schrägheck mit großer Klappe.

Wirklich neu waren die Innovationen für sich genommen nicht, aber erst in der Form des Golf wurden sie zum Megaseller. Bis heute sind es über 30 Millionen Golf in sieben Generationen, womit der Golf den Rekord des Käfer weit übertroffen hat. Nur in einem Punkt hat der moderne Kompakte die Karriere seines Vorfahren nicht toppen können. Während der Golf in Deutschland einer ganzen Bevölkerungsgeneration seinen Namen aufdrückte, wurde er global kein konkurrenzloser Überflieger. Es fehlt ihm das Talent zum Weltbürger wie es der Käfer war, das Konzept des Golf mit Heckklappe blieb für viele Kulturkreise zu europäisch. Daran änderten auch Stufenheckversionen wie der Jetta wenig.

Die Bedeutung des Golf als wichtiger Meilenstein der Automobilgeschichte schmälert dies allerdings kaum. Er schaffte das lange Zeit Unmöglich geglaubte: Die Käufer der Käfers zu gewinnen. Die Fahrer einer zwar zuverlässigen, aber überaus betagten und betulichen Heckmotorkonstruktion zum Umstieg in die automobile Zukunft zu bewegen. Und das sogar im wirtschaftlichen Krisenjahr 1974, als die Automobilindustrie durch ein scheinbar endlos langes tiefes Tal fuhr. Der Golf transformierte die untere Mittelklasse (mit starken Spielern wie Opel Kadett, Ford Escort, Citroën GS, Fiat 128 oder Peugeot 204) zur Kompaktklasse, der er später sogar seinen eigenen Namen aufdrückte: Golf-Klasse. Was hatte der neue VW den anderen voraus? Er führte all das zusammen, was damals technische Avantgarde war, verpackte dies in zeitlos-eleganten italienischen Schick und profitierte obendrein von der starken Marktposition des Volkswagenkonzerns.

An den beiden letztgenannten Qualitäten fehlte es etwa dem Simca 1100, der schon sieben Jahre früher versucht hatte, die Kompaktklasse en vogue zu machen und auch der 1969 lancierte Austin Maxi des genialen Mini-Erfinders Alec Issigonis brachte es außerhalb von Großbritannien nicht zu nennenswerten Stückzahlen. Während andere wie Fiat und Peugeot bereits auf Frontantrieb und Quermotor setzten, gab es die Heckklappe nur bei Kombis mit Lastenesel-Image. Immerhin setzte der Peugeot 204 bereits auf einen kleinen und sparsamen Diesel, dies aber mit viel zu wenig Temperament. Trendsetter kompakter Sportlichkeit wie die schnellen Kadett Rallye und Escort RS, boten nur altbackene Antriebs- und Fahrwerkstechnik. Ganz anders der Volkswagen Golf: Seine Väter mixten die Tugenden und Talente der so unterschiedlichen Platzhirsche und Vorreiter in der unteren Mittelklasse und kreierten daraus einen neuen Cocktail.

Welche Sensation der fliegende und erfolgreiche Wechsel von einem fast dreißig Jahre lang produzierten Massenmodells auf eine gänzlich anders konstruierte Baureihe war, lässt sich vielleicht erahnen bei einem Blick in den Rückspiegel auf das Ende des Ford T-Modells im Jahr 1927. Während das bis dahin erfolgreichste Auto der Welt im Mai 1927 auslief, startete die Produktion des nachfolgenden Model A erst im Oktober. Volkswagen dagegen beließ vorübergehend den altgedienten Käfer in seinem Programm, verlagerte die Fertigung nur auf andere Werke und gab den Kunden so die Chance, sich allmählich an den Golf als Produkt modernen Automobilbaus zu gewöhnen. Eine clevere Idee, schließlich wusste anfangs noch niemand, ob der Käfer-Werbeslogan „und läuft und läuft und läuft“ auch auf den Neuen übertragbar war.

Zwei Jahre später sah dies bereits anders aus, da hatten Journalisten den Golf schon über die Route Alaska-Feuerland geprügelt und 100.000-Kilometer-Stresstests mit Diesel-Motorisierung absolviert. Beim Marktstart zählten noch andere Argumente. Der Golf war um 40 Zentimeter kürzer als der vergleichbare Käfer 1303, bot aber dennoch mehr Platz im Interieur und verfügte über einen damals noch innovativen variablen Kofferraum. Hinzu kamen die besseren Fahrleistungen des Golf und ein damals günstiger Testverbrauch von nur 9,5 Litern auf 100 Kilometer für den Basis-Golf mit 37 kW/50 PS. Immerhin drei Liter weniger als der gleichstarke Käfer verlangte.

Noch sensationeller war der 1976 eingeführte ebenfalls 37 kW/50 PS leistende Golf Diesel, dem die Presse ähnliches Temperament wie dem Benziner bescheinigte, dies aber bei Verbrauchswerten von nur gut sieben Liter. Mit dem Selbstzünder unter der Haube sollte der Golf auch den Amerikanern die Freude am Spritsparen vermitteln, was aber trotz der Ölkrisen jener Jahre letztlich fehlschlug. Daran änderten weder die spezielle US-Modell-Bezeichnung Rabbit etwas, noch das eigens gebaute amerikanische Werk Westmoreland, das 1988 wieder geschlossen wurde. Während der Golf Europa im Sturm eroberte, hielten die Amerikaner an traditionellen Pickups und Limousinen fest. Weshalb der Golf ab 1979 auch mit Stufenheck als Jetta lieferbar wurde. Eine Karosserievariante, die in Deutschland bis heute Nebendarsteller blieb, aber in anderen Ländern tatsächlich Erfolge einfuhr. Ähnlich verhielt es sich mit dem Pickup Caddy, der zunächst in Westmoreland als Rabbit Pickup vom Band lief, um dann ab 1983 in Sarajevo (damals Jugoslawien) für Europa gebaut zu werden. Seine eigenen Gesetze hatte auch der südafrikanische Markt, wo die Golf-Fertigung 1978 startete. Der Ur-Golf genoss in Südafrika eine so große Beliebtheit, dass er unter der Bezeichnung Citi Golf parallel zu seinen Nachfolgern bis 2009 gebaut wurde.

Golfsport in gänzlich neuen Dimensionen bot der 1976 eingeführte GTI. Mit anfangs 81 kW/110 PS Leistung passte der Zweitürer in die Liga der damals die Straßen und Strecken dominierenden kompakten Kraftpakete Ford Escort RS und Opel Kadett GTE. Nur in einer Disziplin war der Wolfsburger seinen Rivalen mit Hinterradantrieb und Starrachse unterlegen: Bei Showeinlagen durch spektakuläre Driftwinkel in Kurven auf losem Untergrund. Im Alltag aber war der mit dem Motor des Audi 80 GTE ausgestattete Golf der schnellste, sparsamste und praktischste Sportler des Trios, wie Fachpresse und Käufer konstatierten. Aus anfänglich geplanten 5.000 Golf GTI wurde ein Millionenseller, nach dem schließlich das gesamte Segment der kompakten Sportlimousinen benannt wurde.

Wer nach noch mehr Leistung und vor allem Exklusivität für seinen GTI suchte, auf den wartete die Armada der Tuningindustrie. Artz, Abt, Mahag, Nordstadt, Oettinger oder Zender boten den teils exorbitant teuren Spaß, selbst Sportwagen in die Schranken zu weisen. 64.000 Mark verlangte etwa Nordstadt für einen Golf GTI mit 92 kW/125 PS, Telefon, Fernseher – und erhielt angeblich eine ganze Serie an Bestellungen von frustrierten Porsche-911-Fahrern, die die Frage leid waren, ob ihr Auto über oder unter 80.000 Mark gekostet habe. In den von neuem Sozialneid geprägten Siebzigern keine Seltenheit. Seinen Vorsprung gegenüber allen Rivalen konnte der Golf GTI aber vor allem in der Serienversion ausbauen.

Diese Überlegenheit bewies der Golf ab 1979 auch in aller Offenheit: Das bei Karmann gebaute Golf Cabriolet trat die Nachfolge der scheinbar unsterblichen Open-Air-Version des Käfers an und reüssierte trotz anfänglich heftig kritisierten fest stehenden Überrollbügels. Mit bis heute über 700.000 gebauten Einheiten in fünf Generationen ist das Golf Cabriolet der meistproduzierte offene Viersitzer aller Zeiten. Sorgen machen musste sich Volkswagen eigentlich immer nur in einer Hinsicht: Den Golf von Generation zu Generation genau so zu evolutionieren, dass er eine unendliche Erfolgsgeschichte bleibt. Zumindest während der ersten sieben Generationen zeigten die Wolfsburger dafür genau das richtige Gespür.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Volkswagen, SP-X

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