65 Jahre Formel 1 (III): Silberpfeile und Ochsen vor dem Karren

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Bevor der Begriff „Formel 1“ in der Geschichte des Motorsports geboren wurde, beherrschten bei den Grand-Prix der 1930er-Jahre die legendären Duelle zwischen Auto-Union, Mercedes-Benz, Alfa Romeo, Bugatti oder Talbot die Pisten. Erst im Jahr 1954, fünf Jahre nachdem mit Nino Farina der erste Formel-1-Weltmeister gekürt worden war, kehrten die Schwaben wieder zurück in den internationalen Formel-Sport. Mit dem Comeback der Silberpfeile im voll verkleideten W 196, das allerdings nur zwei Jahre Bestand hatte, verband sich nicht nur neues technisches Reglement, das viele Jahre Bestand haben sollte. Die Fahrzeuge sollten entweder von 2,5 Liter großen Saugmotoren oder kleinen (auf 7500 ccm limitierten) Turbo-Triebwerken beatmet werden. Nach diesen technischen Vorgaben der FIA wurde bis in die frühen 1960er-Jahre gefahren.

Vor allem aber wird die größte Katastrophe, die sich je auf europäischen Rennstrecken abspielte, stets mit den Namen Mercedes und Austin Healey in einem Atemzug genannt. Die Boliden der beiden Fahrer Pierre Levegh (Mercedes) und Lance Mackling (Austin) kollidierten beim Rennen in Le Mans 1955 miteinander und wurden in das Publikum geschleudert. 82 Menschen starben, Mercedes zog sich für Jahrzehnte aus dem Rennsport-Geschehen zurück. Die andauernden Auseinandersetzungen zwischen deutschen und italienischen Rennboliden, die ihren Ursprung im „Goldenen Zeitalter“ der 1930er Jahre hatten, sollten allmählich der Geschichte angehören. Italien war nur noch mit Ferrari vertreten, britische oder britisch-stämmige Rennställe und Fahrer belebten und dominierten bald die Szene.

Namen wie Lotus, BRM, Cooper, Brabham, Vanwall (1958 erster Gewinner der neu eingeführten Konstrukteurs-Weltmeisterschaft) und Aston Martin mischten die Szene auf, machten sie bunter und vielfältiger. Neue, junge Leute, die den Grand-Prix-Sport aus der Zeit vor der Formel 1 und damit vor dem Weltkrieg nur noch vom Hörensagen kannten, waren die neuen Helden. Der später geadelte Stirling Moss („Sir Stirling), der Australier Jack Brabham, der Neuseeländer Bruce McLaren, oder „Big John“ Surtees, schrieben die Schlagzeilen auf der Piste. Letzterer, der am nächsten Dienstag (11. März) 80 Jahre alt wird, vollbrachte etwas bis dahin kaum für möglich Gehaltenes: Surtees wurde Weltmeister auf einem Motorrad (vier Mal zwischen 1956 und 1960 in der 350er- und 500er-Klasse) und in der Formel 1 (1964 mit Lotus).

Die Briten brachten aber nicht nur neue Rennställe und neue Fahrer in das Geschehen. Sie hatten geniale Konstrukteure, deren Ideen teilweise zunächst belächelt wurden. Einer von ihnen, Colin Chapman, erlangte legendären Ruf und sicherte sich auf Dauer seinen Platz in den Annalen der Motorsport-Geschichte. So setzte sich die Innovation von der Insel in der Folge mehr und mehr durch. Cooper setzte früh auf Leichtbauweise und nahm den wendigen, beweglicheren Chassis damit viel vom Schrecken der schweren Boliden der 1950er und Vorjahre.

Die eigentliche Revolution aber fand nicht auf der Piste mit neuen Autos, neuen Herstellern und neuen Fahrern, sondern auf den Reißbrettern der Konstrukteure und in den Produktionsstätten der Motorenbauer und der Chassis-Konstrukteure statt. Es ging um die Platzierung des Motors, dessen Platz immer im vorderen Teil des Fahrzeugs angestammt schien. Als das Cooper-Team mit dem ersten Mittelmotor, der vor der Hinterachse installiert war, auftauchte, sorgte das vor allem bei den Italienern für Gelächter und Unverständnis: „Der Ochsen sollte vor dem Karren stehen“, legten sich die Ferrari-Konstrukteure auf eine Beibehaltung des bisherigen Prinzips fest. Und sollten viele Jahre später ihre Meinung doch revidieren (müssen).

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Archiv Jürgen C. Braun
Quellenangabe: Die Geschichte der Auto-Rennen“, Giuseppe Guzzardi, Enzo Rizzo, 2000; ,Mercedes-Benz Grand Prix 1934 – 1995, George C. Monkhouse, deutsche Sonderausgabe 2002;

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