Liebe Leserin!Lieber Leser!

Das beherrschende Thema in den Automedien ist derzeit der Genfer Frühjahrssalon. Ab Montag nächster Woche präsentieren die Hersteller in den beiden Hallen des „Palexpo“ am Genfer See ihre neusten Modelle, Weiterentwicklungen oder Concept-Cars. Letzteres bedeutet, dass das Fahrzeug zwar in den Köpfen seiner geistigen Väter schon einen Platz hat, ob es dagegen irgendwann auch einmal im realen Alltag auf die Straße kommt, steht in vielen Fällen noch nicht fest. Über die interessantesten Neuvorstellungen, über das, was wir wirklich einmal als „richtiges“ Auto auf unseren Straßen sehen werden, darüber berichten wir an dieser Stelle auch in den nächsten Tagen ausführlich.Nicht minder interessant aber sind – zumindest für Forscher und Entwickler – jene „Modelcars“ die auf den heraus geputzten Messeständen stehen und dem Betrachter eine Vision, eine Scheinwelt, vor Augen führen. Zwar ist Vieles, was dann nach Jahren doch einmal Einzug auf unseren Straßen hielt, aus einem so genannten „Konzept-Fahrzeug“ entstanden. Aber wonach richten sich eigentlich die Visionäre unter den Fahrzeug-Entwicklern? Leute also, die eine noch nicht umgesetzte Antriebs-Technologie voran treiben, die extravagante Design-Philosophien vorführen oder die mit immer leichteren, aber auch festeren und widerstandsfähigeren Baustoffen für Außenhaut und Interieur eines Fahrzeugs experimentieren.

Eigens für diesen Zweck gibt es ein System-Institut. Das so genannte „Institut für Fahrzeugkonzepte“ in Stuttgart wird von Professor Dr. Ing. Horst E. Friedrich geleitet. Vor langer Zeit hatte ich bei einem Seminar einmal die Gelegenheit, diesem Mann zu zuhören. Er besaß die Gabe (und besitzt sie wahrscheinlich immer noch) komplexe theoretische Zusammenhänge, die nur Eingeweihten und absoluten Wissenschaftlern vertraut sind, auch interessierten Nicht-Wissenschaftlern wie mir nach außen hin ungeheuer plastisch und spannend zu vermitteln.

Forschung, Erprobung, Theorie und Entwicklung rund um das Automobil, das habe ich damals aus diesem Seminar gelernt und für mich „heraus gezogen“, sind kein reiner Selbstzweck und keine Basteleien von ein paar weltentrückten Phantasten. Auch wenn vieles, was wir in Genf in den nächsten Tagen sehen werden, kein Thema für die nächsten Jahre sein wird, so schließt das doch nicht aus, dass sich Theorie und Praxis immer mehr annähern werden. Natürlich wird es immer wieder Ansätze geben, die wieder in den Schubladen verschwinden und über eben diesen Status nicht hinaus kommen. Aber wir brauchen auch diese Menschen mit Visionen, die sich von Rückschlägen nicht beeindrucken lassen und immer weiter forschen und ihren Konzepten treu bleiben.

Auch Leute wie ein Gottlieb Daimler, ein Carl Benz, ein Nikolaus Otto oder ein Henry Ford waren einst solche Entwickler und kühne Phantasten. Auch ihre Ideen und Prophezeiungen wurden nicht sofort erkannt oder für gut befunden. Und doch hätte sich durch diese Visionen die Welt nicht so weiter entwickelt, wie wir sie heute wahr nehmen.

Das tut sie auch ab nächste Woche in Genf wieder.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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