65 Jahre Formel 1 (I): Der Mann mit dem roten Kapperl

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Mit dem „Großen Preis von Australien in Melbourne“ beginnt am 16. März die neue Saison in der Formel 1. Im Jahre 1950 zum ersten Mal ausgetragen, ist es folglich Saison Nr. 65 für die sogenannte Königsklasse des Motorsports. Das hieße auch, die Serie könne nach diesem Jahr endlich „in Rente gehen.“ Was sie wohl nicht tun wird. Aber dieser Umstand hat uns dazu veranlasst, unter dem Begriff „Aus dem Tagebuch einer rüstigen Rentnerin“ ein paar Anekdoten, skurrile Geschichten und seltsame Begebenheiten aus sechseinhalb Jahrzehnten Formel 1 zu erzählen. Beginnen möchten wir aus aktuellem Anlass mit der Geschichte eines Mannes, der seit über dreieinhalb Jahrzehnten mit einem ganz besonderen Kleidungsstück zu einem ebenso besonderen Aushängeschild dieses Sports wurde. Es ist die Geschichte des Österreichers Nikolaus Andreas Lauda, der unter dem Kürzel „Niki“ in die Geschichte des Motorsports einging. An diesem Samstag wird er so alt wie die Formel 1: 65 Jahre.
Wenn vom „roten Kapperl“ in der Formel 1 die Rede ist, dann weiß ein jeder, um welche Kopfbedeckung es sich handelt. Es ist die Mütze von Niki Lauda, der seit jenem spektakulären Feuerunfall am 1. August 1976 auf der Nordschleife des Nürburgrings sichtbare Zeichen dieses Geschehens trägt. Etliche Quadratzentimeter verbrannter Hautfläche bedeckte er in den folgenden Jahrzehnten bei öffentlichen Auftritten unter eben jenem Kleidungsstück, mit dem er auch noch (wahrscheinlich gut entlohnte) Werbung für einen italienischen Lebensmittel-Konzern machte. Inzwischen ist das „rote Kapperl“ manchmal auch blau geworden, trägt auch andere Schriftzüge, was aber im Prinzip nur eine These bestätigt: Der Mann war nicht nur ein phantastischer Rennfahrer, er ist auch ein ebenso brillanter Geschäftsmann geworden, der es versteht, sich und seinen Namen auf das Vorteilhafteste zu vermarkten.

Lauda ist der einzige – noch lebende – Formel-1-Fahrer, dessen Leben bereits auf der Leinwand inszeniert wurde. In dem Film „Rush“ wurde jenes schicksalhafte Jahr 1976, in dem Lauda die Feuerhölle in der Eifel in seinem Ferrari überlebte, wurde das Duell zwischen dem Österreicher und dem Briten James Hunt, inszeniert. In einer kürzlich erschienenen Lauda-Biografie trifft der Rennsport-Experte Hartmut Lehbrink die folgende bemerkenswerte, aber auch sehr zutreffende Erkenntnis: „Allein schon gemessen an Niki Laudas Saison 1976 strahlt eine moderne Rennfahrerbiografie den begrenzten Charme einer Gebrauchsanleitung aus, fad, glatt, normiert, irgendwie schrecklich berechenbar.“

An Lauda war nichts berechenbar. Weder die Tatsache, dass er als Sohn einer renommierten und begüterten österreichischen Unternehmens-Familie, die sich mit der Produktion und dem Verkauf von Traktoren befasste, in den elitären Kreis der „Kringeldreher“ fand, wie er die Szene selbst einmal skizzierte. Weder die Tatsache, dass er nur 42 Tage nach diesem schrecklichen Geschehnis auf der Nordschleife schon wieder im Rennauto saß oder die Tatsache, dass er nur ein paar Jahre später Besitzer einer Airline war. Vor Lauda und seinen Ideen war niemand sicher. Am wenigsten er selbst.

Lauda war der Einzige, der es wagte, aus freien Stücken von Ferrari weg zu gehen. Eine Entscheidung, die ihm der greise „Commendatore“ Enzo Ferrari nie verzeihen hat. „Wäre er bei uns geblieben, er hätte gewiss Juan Manuel Fangios Rekord von fünf Championaten eingestellt.“ Das später ein Deutscher namens Michael Schumacher – auch im Dienste des Rennstalles aus Maranello – noch zwei weitere Titel auf die Bestmarke des Argentiniers drauf satteln würde, davon war damals noch keine Rede gewesen.

Dass Lauda selbst dreimal Formel-1-Weltmeister war, wissen wohl nur die Statistik-Freaks unter den Formel-1-Freunden. In die Geschichte ging er ein, als der Mann, der 55 Sekunden bei 800 Grad Celsius in einem brennenden Auto überlebte. „Mein Barbecue“ wie er es selbst spöttisch nennt. Als der Mann, der der Auslöser des Endes der Nordschleife für die Formel 1 war. Und als der Mann, der das vielleicht bekannteste Kleidungsstück der Formel 1 schuf: Als der Mann mit dem „roten Kapperl“. Und wenn er einem Fahrer seine ganz besondere Hochachtung ausdrücken wollte, dann zog er auch einmal besagtes Kapperl für ihn.

Aber wann und wo er das tat: Auch davor war man niemals sicher.

Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Hersteller, Jürgen C. Braun

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