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Sein Fahrzeugbrief weist „VW Volkswagenwerk“ als Hersteller aus, dabei ist der Audi 50 doch das letzte Ingolstädter Modell, das von Audi-Chefentwickler Ludwig Kraus konzipiert wurde und vor 40 Jahren die kleine Prinzengarde von NSU beerbte. Der erste deutsche Kleinwagen mit Quermotor, Frontantrieb und Heckklappe sollte aber weit mehr als nur die Heckmotorwinzlinge NSU Prinz bis NSU 1000 beerben. Der Audi 50 rundete die moderne Modellpalette der Marke im Zeichen der vier Ringe aus Audi 80 und Audi 100 nach unten ab – und er sollte Geburtshelfer für den ersten Kleinwagen der Konzernmutter VW sein. So rollte der „feine Kleine“, wie ihn die Presse sofort nannte, auch in Wolfsburg vom Band. Und dies nur sieben Monaten später gleich unter zwei Marken: Als Audi 50 und als baugleicher, anfangs etwas einfacher ausgestatteter Volkswagen Polo. Vier Jahre später gab es dann nur noch den Polo, für einen kleinen Audi sahen die Marketingstrategen nun keinen Platz mehr. Schließlich sollte Audi nach und nach als Premiummarke positioniert werden und dazu passten noch keine Kleinwagen. Heute ist dies anders, wie der Audi A1 als neues Schwestermodell des Volkswagen Polo demonstriert.

In gewisser Hinsicht war das Debüt des Audi 50 kaum weniger spektakulär als die Premiere des englischen Mini, des Urvaters aller modernen Stadtflitzer. Kam der bis heute kompakteste Audi (3,49 Meter Länge) doch mitten in Krisenzeiten – der Dreitürer startete in der Depression nach der Ölkrise – und fand dennoch sogar mehr Käufer als die optimistischsten Prognosen vorhersagten. Im ersten vollen Verkaufsjahr 1975 setzten die Bayern bereits 84.000 Einheiten ab, genau so viel wie vom ewigen Bestseller Audi 100. Wie eindrucksvoll dieses Verkaufsresultat für den als kostspieligen Edel-Mini vorfahrenden kleinsten Audi ist, wird spätestens bei der Berücksichtigung seines billigeren, baugleichen Konkurrenten VW Polo deutlich, von dem nur 74.000 Einheiten abgesetzt wurden.

Der Audi 50 machte Luxus in Form von Leistung begehrenswert. So kostete er als 44kW/60-PS-Flitzer kaum weniger als das Mittelklassemodell Audi 80. Mit 37 kW/50 PS-Basismotorisierung war er sogar teurer als der eine Klasse größere Volkswagen Golf, der ebenfalls diese Motorisierung verwendete. Entsprechend rasch musste sich der kleinste Ringträger mit dem größeren Wolfsburger in Vergleichstests duellieren. Mit überraschendem Resultat: Die Presse bewertete den Audi als das ausgewogenere und ausgereiftere Auto, das gegenüber dem Golf sorgfältiger konstruiert worden war. Nicht einmal im Raumangebot zeigte der Golf entscheidende Überlegenheit. Was die Autokäufer nicht davon abhielt, doch dem optisch größeren Golf den Vorzug zu geben, wie die Zulassungszahlen zeigten.

Tatsächlich schien den Audi 50 in der kleinen Klasse zunächst aber nur sein Ableger VW Polo stoppen zu können. In der Medienberichterstattung ließ er die versammelte Konkurrenz schlagartig alt aussehen. Nicht einmal die bis dahin so innovativen Italiener konnten mit Fiat 127 oder Autobianchi A 112 in Vergleichstests mithalten und auch die Franzosen waren mit ihren modisch-schicken Renault 5 oder Peugeot 104 ins Hintertreffen geraten. Gar nicht zu reden vom Mini Clubman. In den Kapiteln Karosseriequalitäten, Motoren, Fahreigenschaften und Sicherheit war der Audi 50 eine Klasse für sich, nur in den Anschaffungskosten ließ er sich gerne unterbieten. Echte Rivalen in allen Disziplinen fand die Nummer 50 – Audi benannte den Typ nach der PS-Leistung – erst durch den baugleichen Polo und den 1976 lancierten Ford Fiesta.

Gerade die Verarbeitungsqualität und die aufwändige, gewissenhafte, geradezu liebevolle Entwicklungsarbeit wurde beim Audi 50 immer wieder von Fachleuten und Presse gelobt. Dabei stellte der Kleinwagen auch hier einen rekordverdächtigen Bestwert auf. Nur zwei Jahre gönnte ihm die Audi-Führung von der finalen Konzeption bis zum Marktstart. Schließlich verlangten die 1972/73 eingestellten NSU-Heckmotorflitzer eilig nach Ersatz. Außerdem war Audi NSU längst wichtiger Ideengeber und Technologieträger bei der Umstellung des Volkswagen-Imperiums von Heckmotor-Modellen auf moderne Frontantriebstypen. Nach der 1970 erfolgten Übernahme des NSU K70 ins VW-Programm debütierte 1973 der erste VW Passat als Ableitung des Audi 80. Den Audi-80-Käufern wiederum konnte man mit dem Audi 50 endlich einen adäquaten Zweitwagen in die Garage stellen und musste das Feld der feinen Minis so nicht länger Franzosen, Engländern oder Italienern überlassen.

Wobei die Italiener damals immer noch die erste Adresse für stilvolle und feine Formen waren. Deshalb durfte Giorgetto Giugiaro den Golf zeichnen und sich Nuccio Bertone an der Formenfindung für den kleinen Audi beteiligen. Immerhin war von Anfang klar, dass ein Ableger des Audi als Käfer-Nachfolger an den Start gehen sollte. Bertone überließ den Zeichenstift seinem Chefdesigner Marcello Gandini, der die bis dahin glamourösesten und spektakulärsten Lamborghini- und Maserati-Sportwagen eingekleidet hatte und gerade den Ferrari Dino 308 GT vorbereitete. Gandini wusste aber sehr wohl, was von Alltagsautos erwartet wurde und verzichtete deshalb beim Audi 50 auf stilistische Extravaganzen wie die damals gerade angesagte Keilform. Stattdessen schuf er eine zeitlos elegante Formensprache, die ihr Alter vor allem durch leuchtend bunte Signalfarben verrät. Farbpsychologen und Unfallforscher wiesen in den 1970er Jahren auf die Sicherheitsrelevanz schriller Lackierungen hin. Und so gab es den Audi 50 nicht nur in Standardtönen wie senegalrot, sondern auch in aufpreispflichtigen Outfits wie cadizorange, rallyegelb oder cliffgrün.

Seine strenge Sachlichkeit verdankt der bis heute kompakteste Audi – in den äußeren Abmessungen und mit einem Trocken-Kampfgewicht von 600 Kilogramm unterbot er zugleich die gesamte südeuropäische Konkurrenz – aber auch den kongenialen Designern und Konstrukteuren in Ingolstadt, die ihrem Chef Ludwig Kraus ein Abschiedsgeschenk machten. Während Claus Luthe, der Schöpfer des avantgardistischen NSU Ro 80, die Formen finalisierte, sorgten die Techniker dafür, dass der Audi 50 bestens ausgerüstet war, um im feudalen Ambiente sardischer Grandhotels ein angemessenes Debüt zu feiern.

„Als Luxuswagen der Kompaktklasse“ wurde er dort im Sommer 1974 präsentiert. In einem Jahr, dass von inflationär gesteigerten Benzinpreisen und Diskussionen um dauerhafte Tempolimits und Fahrverboten bestimmt war und manchen Autobauer an den Abgrund brachte, kam ein Auto wie der Audi gerade recht. Ein Zwerg, der mit Großen mithalten konnte. So reichte seine nutzbare Innenlänge fast an das Format eines BMW 520 heran und 1.410 Liter Stauraum bei umgelegter Rückbank war mehr als mancher Kombi bot. 152 km/h Spitze genügten dem Audi 50 GL, um sogar Sportcoupés wie Ford Capri, Opel Manta oder VW Scirocco auf Distanz zu halten. Dies zwar nur bei Sportlern in populärer Einstiegsmotorisierung, aber Respekt wurde den flinken Flitzern im Zeichen der Ringe bald auch bei Rundstreckenrennen entgegen gebracht. Wie hochwertig die Innenausstattung des Audi 50 war, stellten Presse und Publikum spätestens bei der Premiere des ersten Polo fest. Kam der Audi-Klon doch geradezu nackt auf den Markt: Ohne Tankanzeige, dicke Teppiche und Chromglanz, dafür mit kahlen Blechflächen oder Pappverkleidungen.

Dennoch: Trotz aller Anfangserfolge dankte der Audi 50 als König der Kleinwagen nach kurzer Amtszeit ab. Ein Kleiner passte damals einfach noch nicht ins Audi-Marketingkonzept.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Audi, SP-X

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