Buchtipp – Christopher J. Schwarzer: Inside Ost.

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Barcelona wäre ihm lieber gewesen, sagt Christopher J. Schwarzer selbst. Aber statt in den sonnigen Süden schickte ihn sein Arbeitgeber zur Treuhandanstalt nach Berlin. Das war 1993, und als Absolvent der Betriebswirtschaft sollte er im Auftrag von Roland Berger – eben seinem Arbeitgeber – Sanierungskonzepte prüfen.

Das klingt doch reichlich nach Unsympath, oder? Nach Heuschrecke, Gier-frisst-Gehirn und allem, was einem dazu einfallen mag. Oder: Woran man sich aus den letzten Jahren als Zeitungleser erinnert. Ebenfalls 1993 wurde er Geschäftsführer eines Unternehmens, das in der DDR Unterwäsche hergestellt hatte. Fühlen Sie sich an dieser Stelle etwa genasführt, weil Sie sich in einer Satire wähnen, die Loriot hätte einfallen können – und die bis hierher verschwiegen wurde?

Nein, Inside Ost ist keine Satire. Es ist auch kein Plädoyer für die Gier oder eine versuchte Rehabilitation der Heuschrecken-Mentalität. Vielmehr schafft Schwarzer es, die Leserschaft tatsächlich für sich zu gewinnen. Indem er den ehrlichen Versuch beschreibt, ein Unternehmen zu sanieren und diese Aufgabe im wörtlichen Sinne begreift: Nicht abwickeln, sondern im Interesse der Menschen zu erhalten und auszubauen, was da ist.

Gelungen ist es nicht, trotz zwischenzeitlich guter Entwicklungen. Schwarzer ist auch niemand, dem das – so what? – wurscht wäre. Vielmehr beschreibt er, realistisch, ein hervorragendes Maß zwischen Distanz und Nähe zum Thema bewahrend, an welchen Hürden sein Vorhaben scheiterte und wie das vonstatten ging. Das hat schon Krimi-Qualitäten. Allein die Zusammenfassung seiner Erkenntnisse in zehn Regeln am Ende seiner Ausführungen ist es wert, das Buch zu lesen. Jedenfalls, wenn Sie ein eigenes Unternehmen als Selbständiger planen. Und auch, wenn Sie einfach nur einen Blick in eine Unternehmenskultur werfen wollen, die menschlich ist, aber frei von verblendender Romantik.

Foto: SCHÖTTGER photography/dtv

Christopher J. Schwarzer: Inside Ost. Vom West-Berater zum Ost-Unternehmer. Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv premium); 16,90 Euro.

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