Buchtipp – Nickolas Butler: Shotgun Lovesongs

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Wir alle luden ihn zu unseren Hochzeiten ein. Er war berühmt. Die Einladungen schickten wir an das Hochhaus seiner Plattenfirma in New York, damit man dort die festlichen, mit Goldrand versehenen Umschläge an ihn weiterleiten konnte, während er irgendwo auf Tour war – in Beirut, Helsinki, Tokio. Orte, die über unseren Horizont oder unsere begrenzten finanziellen Mittel weit hinaus gingen. Er schickte Geschenke in verbeulten Pappkartons, die mit ausländischen Briefmarken übersät waren; feine Schals oder Parfüm als Geburtstagspräsente für unsere Frauen, kleine zierliche Spielsachen oder Schmuckanhänger zur Geburt unserer Kinder: Rasseln aus Johannesburg, hölzerne Matrjoschkas aus Moskau, winzige Seidenpantoffeln aus Taipeh. Manchmal rief er uns an. Dann rauschte es in der Leitung oder es gab ein Echo, und im Hintergrund konnte man das Kichern junger Frauen hören. Seine Stimme klang nie so glücklich, wie wir erwartet hatten.

Man achte besonders auf den letzten Satz: Shotgun Lovesongs bürstet viele Klischees (also, seien wir ehrlich, auch manche Vorstellung der Leserschaft) gegen den Strich. Zum Beispiel: Das Glück ist mit den Tüchtigen. Oder: Ich schaffe es immer, rational zu entscheiden. Gerade für einen amerikanischen Autor ist das bemerkenswert, wo soziale Verpflichtungen per Gesetz, der Grundsatz, dass Gemeinwohl Vorrang vor dem Individuum habe, bis heute extrem umstritten sind.

Nickolas Butler (das k ist kein Tippfehler!) erinnert mit seinen Themen an berühmte Autorenkollegen wie Jack London und Annie Proulx. Auch wenn er einen ganz anderen Ton findet als Londons Sarkasmus oder Proulx' staubtrocken verknappte Darstellung, schont er thematisch seine Leser(innen) genau so wenig wie die beiden (und andere, die in dieser Tradition stehen): Der Kampf um eine Existenz als Farmer, tiefe Heimatverbundenheit, Alkohol als Genussmittel und Suchtfaktor gleichermaßen, das sind nur einige der Zutaten, mit denen er uns konfrontiert. Man sollte sich Zeit nehmen für Shotgun Lovesongs, das ist keine Lektüre, die man mal eben zur Zerstreuung konsumiert. Dafür eignen sich andere Themen(komplexe).

Nickolas Butler: Shotgun Lovesongs. Verlag Klett Cotta; 19,95 Euro.

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