„Champions League der Quertreiber“

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Anpfiff zur „Champions League der Quertreiber: Mit der Rallye Monte Carlo (16. – 18. Januar) als erstem von insgesamt 13 Wettbewerben beginnt in dieser Woche die Rallye-Weltmeisterschaft 2014. Die „Mutter aller Rallies“, die von 2009 bis 2011 nicht zum offiziellen WM-Kalender gehörte, ist quasi der „Dinosaurier unter den großen Rallye-Läufen“: Kein WM-Lauf hat mehr Geschichten und Geschichte in dieser faszinierenden Sportart geschrieben, keine Prüfung ist so sehr vom Hauch des Mythischen umgeben wie die „Nacht der langen Messer“ im zuckenden Blitzlichtgewitter. Kein Berg versprüht die Aura des Majestätischen, des Erhabenen, aber auch des Unheilvollen und Unbezwingbaren so sehr wie der „Col de Turini.“ Was den mondänen Jet-Set-Rittern im Sommer beim Formel-1-Lauf im Fürstentum die Rascasse oder die Loews-Kurve, das ist den „Straßenräubern“ zu Beginn des Jahres im WRC-Auto ihr „Turini.“

Nirgendwo sonst sind die Fans so nahe dran an ihren Helden wie bei der „Monte“. Ist das Wetter zu beständig ruhig und damit der Asphalt zu trocken, dann gehört es quasi zum „guten Tonen“, den Parcours schon Stunden vorher von den zu Tausenden in Wohnmobilen angereisten oder in kleinen Hotels und Pensionen übernachtenden Fans mit Schnee und Eis „rutschfähig“ zu machen. Rallye-Besucher am Rande der „Monte“-Prüfungen, das sind die wirklichen Hardcore-Fans, die dieser Motorsportart von der Pike auf ihren ganz besonderen Charme verliehen haben.

Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt wird die Rallye-Weltmeisterschaft 2014 eine „Loeblose“ Veranstaltung. Denn der Serien-Weltmeister im Citroën, Sébastien Loeb, der sich 2013 immerhin noch vier Gastspiel-Auftritte gegönnt hatte, ist nun endgültig zum WTCC-Piloten in der gleichnamigen Tourenwagen-Weltmeisterschaft geworden. Statt seiner geht sein ehemaliger Kronprinz Sébastien Ogier im VW Polo R WRC mit der Startnummer 1 an den Start. Dank eines sich rasant drehenden Personal-Karussells hat sich die Ausgangslage in punkto Fahrer und Hersteller im Vergleich zum Vorjahr etwas geändert. Dennoch heißt die für die gesamte Armada geltende Losung: Alle gegen Einen. Ogier und Volkswagen gegen den Rest der „Crème de la Crème“ im World Rallye Car.VW-Sportchef Jost Capito dürfte der Start zur neuen Saison keine schlaflosen Nächte bereiten. Er hat (wie schon zuvor) das höchste Budget, mit dem Polo R WRC das beste Auto, die größte Erfahrung und wohl auch die besten Fahrer. Denn immerhin gewann das französisch / finnische Duo Ogier / Jari-Matti Latvala im vergangenen Jahr zehn von 13 Rallyes. (9 : 1 für Ogier) Aufgrund dieser Dominanz konnte VW-Motorsport auch der FIA-Vorgabe, die technische Weiterentwicklung für ein Jahr einfrieren zu lassen, milde lächelnd zustimmen. Auf diesem Ruhekissen lässt sich die Entwicklung des Autos für 2015 in Ruhe und Besonnenheit vorantreiben.

Citroën befindet sich in diesem Jahr in einem Zwiespalt. Jahrelang musste sich der Hersteller unter dem Doppelwinkel ums fahrende Personal keine Sorgen machen. Man hatte ja „Super-Seb“ Loeb. Aber dessen Wertungsprüfungen liegen jetzt endgültig auf der Rundstrecke im neu entwickelten C-Elysée, der Tourenwagen-WM. 2014 klingen die Namen der Cockpit-Besatzungen weit weniger Aufsehen erregend. Woran das Haus selbst nicht ganz unschuldig ist.

Ogier hatte man bereits Ende des Jahres 2011 nach internen Zwistigkeiten in der Erbfolge an Volkswagen verloren. Der eigene Roh-Diamant aus dem Junior-Team des Jahres 2012, Thierry Neuville, wechselte nach einem Zwischenjahr im Ford Fiesta bei M-Sport zum WM-Rückkehrer Hyundai in den i20 WRC. Und der Pole Robert Kubica will in diesem Jahr bei Ford endlich beweisen, dass er mehr sein kann als nur ein ewiger Rekonvaleszent mit Formel-1-Erfahrung. Der Fiesta war im vergangenen Jahr auch ohne Hersteller-Unterstützung konkurrenzfähig und erhielt für 2014 ein viel versprechendes Facelift und einen stärkeren Motor.Auf das Duo Mikko Hirvonen und Dani Sordo, das sich im vergangenen Jahr im völlig auf Loeb zugeschnittenen DS3 WRC abarbeitete, kann Citroën in dieser Saison ebenfalls nicht mehr setzen. Sordo bekam nach dem „Laufpass“ bei den Franzosen einen neuen Arbeitsplatz als Nr. 2 bei Hyundai. Hirvonen verdingt sich bei M-Sport im Ford Fiesta WRC. Stattdessen bilden nun der Schwede Mats Östberg und der Nordire Chris Meeke die Fahrerpaarung beim ehemaligen Dauer-Weltmeister Citroën. Meeke galt lange Zeit als der kommende Mann im Rallyesport auf der Insel, hat sich aber auch schon einen Namen als „Bruchpilot“, ähnlich wie sein leider allzu früh verstorbener schottischer UK-Kollege Colin McRae (auch „McCrash“ genannt) gemacht.

Was der Rallye-WM aber (leider) auch in diesem Jahr neben aussichtsreichen deutschen Fahrern, die ein Wort bei der Titelvergabe mitreden können, ist die Markenvielfalt, die diese Serie immer wieder ausgezeichnet hatte. Die Zeiten, da bei der Deutschland-Rallye rund um Trier neben den erwähnten Herstellern auch noch konkurrenzfähige Mitsubishi, Peugeot oder Subaru am Start waren, sind – der Absatzkrise auf dem Automobilsektor geschuldet – vorbei. Die deutschen Farben vertreten Ex-Europameister Armin Kremer (Ford Fiesta R5) sowie die beiden Privatiers Julius Tannert (Citroën DS3 R1) und Veit König (Suzuki Swift).

Das hörte sich auch schon einmal spektakulärer an. Leider.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Teams, Oliver Kleinz

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