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Manchmal scheint alles ganz simpel. „Auf A folgt V“, erklärte ein Opel-Manager die Modellbezeichnung des Vectra gegenüber Journalisten. Vor 25 Jahren schickte die Rüsselsheimer Mittelklasse den zuletzt betulich wirkenden Ascona in den Ruhestand, um mit dynamischem Image an die Spitze der Familien- und Firmenautoklasse zu sprinten. So wie zuvor der größere Omega sollte nun der Vectra mit klangvollem Kunstwort als Namen, vor allem aber mit neuer technischer Konzeption die Konkurrenz deklassieren und obendrein zum Trendauto der Yuppies werden. Jener jungen gesellschaftlichen Aufsteiger, die damals bislang vor allem 3er BMW und Mercedes 190 kauften.

Ein Vorhaben, das dem Vectra sogar ansatzweise gelang. Die wahlweise vier- oder fünftürigen Vectra A wurden Marktführer bei den europäischen Mittelklasselimousinen und eroberten mit rund 2,5 Millionen Einheiten in fast siebenjähriger Produktionsdauer Platz eins als bis dahin meistgebaute Opel dieses Segments. Nicht einmal der fast gleichzeitig gestartete VW Passat mit voluminösem Stufenheck konnte es mit dem Vectra aufnehmen. Mehr noch: Bei internationalen Medienpreisen war der Opel geradezu auf Sieg abonniert.

Dabei fehlte ihm doch ein Feature, das etwa Ford und VW längst für unverzichtbar hielten: Eine Kombiversion. Erst den 1995 aufgelegten Vectra B gab es im Format eines Lifestyle-Caravan. Als Vectra C und Steilhecklimousine Signum übernahmen die deutlich gewachsenen Mittelklassemodelle im neuen Jahrtausend schließlich gänzlich die Aufgaben des inzwischen gestrichenen Opel-Flaggschiffs Omega. Die komplette Konkurrenz deklassieren konnten die späten Vectra aber nicht mehr. Alles auf Anfang setzte erst wieder der Insignia – so wie zwei Jahrzehnte zuvor der Vectra nach dem Ascona.

War einst der Opel Rekord Deutschlands populärstes automobiles Erfolgsattribut in der Mittelklasse, gelang es nun dem Vectra, die Marke mit dem Blitz noch einmal mitten ins Rampenlicht zu setzen. 50.000 Vorbestellungen noch vor Marktstart und endlos lange Lieferfristen besonders zur Einführung des Schrägheck-Vectra, das übertraf sogar die kühnsten Hoffnungen der Opel-Händlerschaft. 1990, im Jahr der deutschen Wiedervereinigung und ihrem zweiten vollen Verkaufsjahr, vermochten es die Vectra-Limousinen sogar, den VW Passat einschließlich Variant zu schlagen. Dabei waren Kombis eigentlich längst der beste Freund aller Familien und Firmen.

Was war das Erfolgsgeheimnis des ersten Vectra? Äußerlich präsentierte sich der Ascona-Nachfolger dynamisch und repräsentativ wie ein kompakter Omega und sogar beim Raumangebot fehlte es dem Vectra nur an wenigen Zentimetern zum großen Bruder. Der Kofferraum erreichte mit 530 Litern sogar das Volumen des repräsentativen Senator. Fahrverhalten und Abrollkomfort des Vectra wurden von der Presse als beispielhaft gelobt. Opel habe in dieser Disziplin größere Fortschritte gemacht als viele Premiummarken, meinten manche Fachblätter. Tatsächlich war es dieses Gesamtpaket aus geräumigen und gut verarbeiteten Karosserien, sparsamen und starken Motoren, souveränen Fahrtalenten und niedrigen Kosten, das den Vectra in Vergleichstests gegen alle wichtige Konkurrenten wie Audi 80, Mazda 626 oder Renault 21 gewinnen ließ. Faszination und Image vermittelten aber vor allem leistungsstarke Turbo- und V6-Motoren sowie der Allradantrieb. Die günstigen Preise ließen den Vectra 4×4 mit Verteilergetriebe und Viskokupplung des österreichischen Spezialisten Steyr-Puch auch gegen den etablierten Audi 80 quattro mit Torsen-Differential bestehen, der sich dafür dank sperrbarem Hinterachsdifferential allerdings sogar aus Schneewehen wühlen konnte.

Dagegen war der erste Selbstzünder im Vectra noch ein rechter Phlegmatiker alter Schule: Gerade einmal 105 Nm Drehmoment entwickelte der bescheidene 42 kW/57 PS leistende Diesel mit Verteiler-Einspritzpumpe. Damit dauerte die Beschleunigung von Null auf Tempo 100 endlos scheinende 20 Sekunden. Bei so viel Beschaulichkeit musste man schon Hardcore-Knauserer sein, um sich über den Norm-Verbrauch von 4,4 Litern bei Tempo 90 zu freuen – zumal der kleinste Benziner mit entschieden temperamentvolleren 55 kW/75 PS auch nur 5,2 Liter konsumierte. Von Lifestyle und Dynamik wie sie etwa die Sechszylinder-Selbstzünder im BMW 3er oder die Turbodiesel im VW-Konzern vermittelten war der Ölbrenner im Vectra so weit entfernt, dass die Rüsselsheimer schnell mit einer 60 kW/82 entwickelnden Turboversion nachlegen mussten.

Ganz anders am oberen Ende der Vectra-Palette. Hier vermittelte der bis zu 150 kW/204 PS starke 2,0-Liter-Turbo-Benziner sportliches Image, ähnlich wie es zuvor der größere Omega 3000 oder bei den Kompakten der Kadett GSI vermochten. Aber auch die Motorisierung „2000 16V“ mit 110 kW/150 PS hatte mit der aerodynamisch geformten Limousine leichtes Spiel. Zählte doch der cW-Wert von 0,29 zu den damaligen Klassenbestwerten.

Repräsentative Sechszylinder-Noblesse für die mittlere Opel-Linie brachte dagegen das neu entwickelte 2,5-Liter-24V-Triebwerk mit stattlichen 125 kW/170 PS Leistung. Auch als sportlichen Zweitürer gab es den Vectra, verdankt doch das Coupé Calibra seine Technik der ersten Vectra-Generation. Andererseits war es 1993 der Calibra, der dem neuen Vectra Turbo-Topmodell sein Allradsystem und das erwähnte aufgeladene 204-PS-Triebwerk spendierte. Damit war der Vectra 240 km/h schnell – damals noch eine echte Ansage für mittelgroße Familienautos.

Als im Frühjahr 1994 der Vectra CDX mit neu entwickeltem 2,0-Liter-16-Ventil-Motor das Programm auffrischt, geht die erste Vectra-Generation bereits in die letzte Runde. Der neue Vierzylinder ist Vorbote des Vectra B, der 1995 die Wachablösung übernimmt und schließlich auch als Caravan angeboten wird. Der Name Vectra hatte sich derweil als so klangvoll und eingängig erwiesen, dass Vauxhall – die englische Schwestermarke von Opel – die bis dahin gepflegte Modellbezeichnung Cavalier nun auch durch Vectra ersetzte. Tatsächlich wurde der Vectra als Chevrolet oder Opel aber auch in Afrika, Australien und Südamerika produziert. Eine globale Erfolgsgeschichte über drei Generationen. Die Ausnahmestellung des ersten Opel Vectra konnten die Nachfolger aber nicht mehr erreichen.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel/SP-X

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