Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Es war ein „rundes“ Jubiläum in dieser Woche, das nur die Wenigsten zur Kenntnis nahmen, dessen Einführung vor 40 Jahren allerdings das gesellschaftliche Leben für einen Tag völlig auf den Kopf stellte und dessen Nachhaltigkeit und Folgen bis heute spürbar sind. Am vergangenen Montag, dem 25. November, jährte sich zum 40. Mal der erste Tag des Sonntags-Fahrverbotes in der damaligen Bundesrepublik Deutschland. Dieser restriktive Eingriff in die Freiheit der persönlichen Mobilität war zu jener Zeit die Reaktion auf die so genannte Ölkrise. Das Fahrverbot galt damals für vier Wochen. Als eine Entspannung auf dem weltweiten Öl-Markt und damit wieder größere Fördermengen erkennbar waren, wurde das Verbot im darauf folgenden Monat wieder aufgehoben. Ich erinnere mich noch sehr gut an diesen ersten Sonntag mit Fahrverbot. Ich war damals ein junger Volontär bei meiner Heimatzeitung, dem Trierischen Volksfreund, und hatte eine der wenigen Ausnahme-Genehmigungen zum Auto fahren erhalten. Denn von meinem Heimatort waren es rund 35 Kilometer zur Redaktion nach Trier und ich hatte Dienst an diesem Sonntag. Heute, 40 Jahre später, mag das ziemlich anmaßend klingen, aber damals, mit Anfang 20, fühlte man sich fast als etwas Besonderes, als man mit dem eigenen Auto (ein alter VW Käfer) auf den gähnend leeren Straßen unterwegs sein durfte.

Es war etwas Gespenstisches an diesem Tag Ende November im westlichen Hochwald. Ein – wie könnte es anders sein – trüber, nebliger Herbsttag. Weit und breit keine Menschenseele unterwegs. Von meiner Redaktion hatte ich den Auftrag bekommen, „Stimmungsbilder“ mitzubringen. Damals war das Fotografieren noch eine umfangreichere und technisch weitaus schwierigere Angelegenheit als heute im Zeitalter digitaler Aufnahmetechnik und Foto-Handys. Ich hatte zu jener Zeit eine alte Rolleiflex Kamera von der Redaktion für meine Arbeit bekommen. Das „Mordsdrumm“ war im Prinzip nicht kaputt zu kriegen, da sind gefühlte Generationen von Kickern auf allen möglichen Hart- und Rasenplätzen der Region beim Fotografieren drüber gestolpert: Meine damalige Rolleiflex war eine zweiäugige Spiegelreflex-Kamera mit einem Rollfilm im 6×6-cm-Format. Schwarz-weiß, versteht sich.

Also machte ich „Atmosphäre-Bilder“ mit meiner Rolleiflex. Diese Meisterwerke der fotografischen Wiedergabekunst sahen in etwa so aus, wie man sich das schon beim Anhören vorstellen darf, oder muss: Eine leere Straße in einer verlassenen Gegend ohne Autos und Menschen vor einem grauen Himmel an einem grauen Novembertag. Das pralle Leben eben. So viel ich mich erinnern kann, habe ich damals weder ein Lob meines Redakteurs noch einen Preis oder eine sonstige Auszeichnung für meine künstlerischen Anstrengungen erhalten. Zu meiner Ehrenrettung darf ich heute, 40 Jahre später, allerdings festhalten, dass es die einzigen Bilder im Laufe meiner Karriere waren, die veröffentlicht wurden, auf denen außer einer „grauen Suppe“ nichts zu sehen war. Aber das war auch ja das „Atmosphärische“…

Was mir indes heute, 40 Jahre danach, in erster Linie an jenen 25. November 1973 in Erinnerung geblieben ist, ist etwas ganz Anderes. Dieser neblige, unscheinbare Novembertag des Jahres 1973, war der Beginn des Bewusstseins, dass Treibstoff nichts Selbstverständliches ist. Es war schon damals das erste Fanal vom sich abzeichnenden Ende einer Gesellschaft im Überfluss.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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