Die Scheinwerferkegel strichen über einen prächtigen Magnolienbaum,als sie den Scheitelpunkt der Elizabeth Streeterreichte. Die dicken weißen Blüten leuchteten in der Dunkelheitwie Zähne unter Schwarzlicht. Im Inman-Park-Viertelvon Atlanta waren kurz vor elf an einem nieseligen Donnerstagdie Bürgersteige hochgeklappt. Renovierte Einfamilienhäuser,gehobene Mittelschicht, ruhige Lage.Zwei Wodka Martini zeigten Wirkung, und Miki Ashtongähnte zwischen den langsamen Schwenks der Scheibenwischer.Ja, sie konnte problemlos noch fahren, hatte sie ihrenFreunden versichert. Nicht gesagt hatte sie, wie sehr ihr davorgraute, in das leere viktorianische Haus zurückzukehren.Wie kommt es, dass man sich so einsam und verlassen fühlt,wenn man nach einem fröhlichen Beisammensein mit einpaar Drinks intus nach Hause fährt? Sie bedauerte, dass siekeine Haustiere hatte, keinen Hund, der sie begrüßen würde.Sie war mit Tieren aufgewachsen. Aber ihr Beruf, die vielenReisen – es wäre nicht fair. Sie parkte den 76er Spitfire in dergepflasterten Einfahrt. Zwischen den Steinen wucherte Gras.Wieso hatten ihre Nachbarn anscheinend keinerlei Mühe,ihre Rasenflächen stets tadellos gepflegt zu halten?
Wie, keine anderen Sorgen als die Pflege eines Rasens? Oh doch.
Das angestrebte Idyll wird so hässlich wie nur denkbar durchbrochen, es geht um den gewaltsamen Tod eines Jungen. Daraus wird eine Mordserie, in welcher der Täter auch mal eine ganz spezielle Visitenkarte am Tatort zurücklässt.Amanda Kyle Williams hat es erkennbar nicht darauf abgesehen, die Nerven der Leserschaft zu schonen. Was bei einem Thriller auch fehlplatziert wäre. Menschen mit empfindlichem Gemüt sollten dieses Buch nicht am späten Abend lesen – um eventuellen Alpträumen zu entgehen. Wer ein Faible für spannende Handlungen und ein robustes Nervenkostüm hat, bei wem dann auch der Trost Es ist ja bloß Fiktion funktioniert, der mag das Buch unabhängig von irgend einer Tageszeit verschlingen.
Amanda Kyle Williams: Broken. Wunderlich Verlag; 14,95 Euro.