Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Na, hat’s bei Ihnen auch geblitzt in dieser Woche? Zwischen Donnerstag 6 Uhr und Freitag 6 Uhr, meine ich. Sie wissen schon, um was es geht. 15.000 Beamte nahmen von Flensburg bis Garmisch beim ersten bundesweiten Blitz-Marathon alles aus Korn, was sich auf motorisierte Art und Weise bewegte.

Wohl selten ist über Für und Wider einer Polizei-Aktion in Sachen Verkehrssicherheit so kontrovers diskutiert, ja mitunter auch heftig gestritten worden wie über dieses 24stündige Blitzlicht-Gewitter am Straßenrand. Es ist halt wie immer: Wenn es uns (und damit meine ich uns alle) an den Geldbeutel zu gehen droht, wird schnell Zeter und Mordio geschrien. Natürlich wird niemand auch nur im Leisesten irgendetwas gegen einen Vorschlag oder dessen Umsetzung sagen, wenn er der Sicherheit im Straßenverkehr dient. Schließlich wollen wir alle, dass es weniger Unfälle, weniger Sachschäden, weniger Verletzte, weniger Tote auf unseren Straßen gibt.Das klitzekleine Problem bei dieser Dauerblitzer-Premiere war auch nicht der Streitpunkt, ob das jetzt blanker Populismus war. Ob das im Sinne der Verkehrssicherheit eine positive Wirkung auf Dauer, und nicht nur für 24 Stunden, haben würde. Nein, seien wir doch ehrlich: Es ging allen, die sich lauthals dagegen opportunierten, nicht gegen die Aktion als solche, sondern einzig und allein um die Tatsache, dass es den eigenen Geldbeutel treffen könnte. Und zwar nicht unverschuldet, sondern weil man sich eines – wenn auch geringen – Vergehens im Straßenverkehr schuldig gemacht haben könnte. Also wird gleich schon mal vorgebaut: Ihr wollt ja nur abzocken, es geht Euch ja nur um den schnöden Mammon, das mit der Sicherheit ist doch reiner Populismus. Aber uns für dumm verkaufen wollen!

Wir alle, liebe Leserinnen und Leser, sind ein einig Volk von Falschparkern, Rot-Ignoranten an der Ampel und Geschwindigkeits-Hasardeuren, wenn wir völlig sicher sein können, dass es uns nichts kostet. Dann parken wir, wo wir wollen, fahren über Ampelanlagen, deren Farbe uns einen feuchten Kehricht interessiert und lassen der Tachonadel ihren freien Lauf. Denn nur die Furcht vor Strafe, sei sie auch noch so gering, sozialisiert uns im täglichen ganz normalen Wahnsinn auf der Straße. Und nicht etwa die Einsicht in die Notwendigkeit, unser Verhalten den Bedingungen anpassen zu müssenNur das, was uns trifft, was uns unangenehm berührt, beeinflusst unser Tun. Ich habe schon als Kind meine Hausaufgaben nur gemacht, weil ich nicht nachsitzen wollte und nicht aus der Einsicht heraus, mich weiter in den gelernten Stoff vertiefen zu müssen. Und zu viel Süßigkeiten habe ich auch nicht genascht, weil ich Karies vorbeugen wollte, sondern, weil ich „Schiss“ hatte, was auf die Finger zu bekommen. Und genau so einfach ist das mit dem Blitz-Marathon. Die große Gemeinde verständnisvoller Schleicher und Normen-Befürworter, die wir alle für 24 Stunden waren, zuckt seit Freitagmorgen wieder mit dem Gasfuß, dass es eine Pracht ist. Leider.

Und wenn es doch anders sein sollte, wenn es vielleicht doch die Eine oder den Anderen ins Grübeln gebracht haben sollte, das eigene Fahrverhalten einmal zu überdenken? Dann hätte die Aktion einen Sinn gemacht. Aber nicht, weil landauf, landab, geblitzt wurde, sondern weil angekündigt worden war, dass geblitzt werden würde. Ein „Placebo-Blitzen“, wenn es denn so etwas gäbe, hätte den gleichen Effekt gehabt. Ein (mir ansonsten eigentlich gar nicht unsympathischer) Bekannter hat es am Donnerstag auf die allgemein gültige Formel gebracht: „Wer heute zu schnell fährt, ist ein Idiot!“Von Einsicht in den wirklichen Sinn und Zweck der Aktion also keine Spur. So wie – und das unterstelle ich jetzt einmal – bei vielen Anderen auch. Schade um das große Glockengeläut und die gute Absicht.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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