Buchtipp – Kai Lange: Schab nix gemacht.

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Erinnern Sie sich noch an Schantall Pröllmann, von der in dieser Rubrik vor einiger Zeit die Rede war? Schantall, die Kunstfigur des Satirikers Kai Twilfer, an deren Erlebnissen das einzig Tröstliche die Satire (sprich: das vom Autor Ersonnene) war. Obwohl manches aus der Wirklichkeit da reingespielt haben mag.

Kai Lange teilt mit Schantalls geistigem Papa den Vornamen und die Ähnlichkeit der beschriebenen Erlebnisse. Allein: Bei Lange sind sie pure Realität, allenfalls ein wenig zugespitzt beschrieben. Kai Lange, Jahrgang 1969, unterrichtet an einer deutschen Hauptschule.

Nun hat das Ansehen dieser Schulform in den letzten Jahrzehnten drastisch gelitten. Vorbei die Zeiten, als sie für Heranwachsende das Fundament bildete, einen Handwerksberuf zu ergreifen, darin den Gesellenbrief zu erwerben und – vielleicht, wenn's sich empfahl oder der Ehrgeiz da war – auch den Meisterbrief. An diesen eigentlichen Sinn der Hauptschule sollte man schon erinnern, wenn man dieses Buch vorstellt. Auch Gesellen- und Meisterbriefe gibt es nicht zum Nulltarif.

Davon ist das hier Beschriebene ewig weit entfernt! Kai Langes Erlebnisse sind witzig geschrieben, aber die Inhalte lassen einem schon das Lachen im Hals stecken bleiben. Einfach weil simple Fertigkeiten kaum vermittel- oder erlernbar zu sein scheinen (Grundrechenarten, elementare Englischkenntnisse), die Schülerinnen und Schüler oftmals einzeln nett und freundlich sind, in Gemeinschaft aber zu einer Art gemischter Raubtiergruppe mutieren, so dass der Lehrer schon zufrieden sein muss, wenn er ein halbwegs erfolgreicher Dompteur bleibt. Der Lehrer nimmt's mit Humor. Es geht nur so.

Die unbestrittene Komik ist zwar da, aber nicht der Hauptgrund meiner Empfehlung. Vielmehr muss man sich wirklich fragen, was da schief läuft, sicher schon vor der Schulzeit. Bildung und Ausbildung scheinen jedenfalls eher abstrakte Begriffe zu sein als wichtige Werte – allein, um seine wirtschaftliche Existenz zu sichern, von weiteren Vorteilen hier mal gar nicht zu schreiben. Wenn du nichts lernst, bleibst du dumm und findest keine Arbeit – derart elterlicher Klartext hat vor Jahrzehnten eine unbestrittene pädagogische Wirkung gehabt. Nebenbei bemerkt, wäre ein auf dieser Basis oder Nicht-Basis fußendes Leben auch grottenlangweilig. Und heute?

Wohlgemerkt: Man nimmt dem Autor die Sympathie für seine Klientel ab! Es geht ihm nicht darum, den desolaten Ruf seiner Schulform noch weiter in Richtung unterirdisch zu verschieben. Vielmehr ist sein Buch – wenngleich nicht so beabsichtigt – doch ein dringender Appell, diese Schulform wieder aufzuwerten.

Kai Lange: Schab nix gemacht. Geschichten aus der Hauptschule. Knaur Taschenbuch Verlag; 8,99 Euro.

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