Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Jeder Motor eines Fahrzeugs hat – konzeptions- und baubedingt – seinen ganz eigenen, charakteristischen, Klang. Der Diesel nagelt (hat er zumindest früher einmal), der großvolumige Achtzylinder blubbert und das mächtige, auf Drehzahlen ausgelegte, Hochleistungs-Aggregat schreit und brüllt, wenn es in den fünftourigen Bereich geht. Aber da gib es noch ein Triebwerk, das akustisch eigentlich völlig aus unserem Straßen-Getöse verschwunden ist. Umso schöner, wenn man so etwas noch einmal zu hören bekommt. So, wie es mir vor Kurzem auf einer Veranstaltung des historischen Motorsports ging, als mir ein kurzer vorwitziger Blick in eine etwas abseits gelegene Garage zu einer Zeitreise „im Geiste“ verhalf.

Leserinnen und Leser, die einen Großteil ihres Lebens noch in der ehemaligen DDR verbracht haben, werden sich an dieses knatternde und ratternde Geräusch noch erinnern. Der Zweitakter gehörte – den Trabant- und Wartburgwerken sei Dank – zum alltäglichen Geräuschpegel. Rättätää täng täng. Oder so ähnlich. Wenn man das denn überhaupt in Buchstabenform ausdrücken kann. Das Prinzip des Zweitakters ist Menschen, die niemals ein Fahrzeug der beiden erwähnten Marken ihr eignen nennen durften, bestenfalls noch aus Momenten im Gehörgang, in denen es ans Rasen mähen ging. Als Zugabe gab es meist noch den Duft verbrannten Öls und ein seichtes blaues Fähnchen, das die verbrannten Abgase wieder Mutter Natur anvertraute.

Doch der Zweitakter ist mehr als nur langsam verblassende Ostalgie oder Kleingärtner-Romantik. Auch andere Fahrzeuge bedienten sich dieses Antriebskonzeptes. Allerdings waren sie die wirklichen Ringeltauben auf unseren Straßen, und die Zeiten, da ratternde Mobile vom Schlage eines DKW ihre Besitzer erfreuten, sind lange her. Doch die Marke bewies schon zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts, dass das Antriebskonzept viel besser war, als sein Image es heute (leider und oft fälschlicherweise) immer noch ist.

In der Garage des alten Fahrerlagers entdeckte ich kürzlich einen DKW F 91. Eine absolute Rarität. 1953, also vor mittlerweile 60 Jahren, hatte die Auto Union den Typ F 91 vorgestellt, die „Sonderklasse“. Der Motor leistete damals aus knapp 900 Kubikzentimeter Hubraum stolze 34 PS, war damit eher ein Motörchen als ein Motor und verhalf dem Fahrzeug 1954 sogar zum Gewinn der Europameisterschaft für serienmäßige Tourenwagen. Dieser „Sonderklasse“ hatte DKW einen dritten Zylinder einverleibt, was der Laufruhe des Autos ganz entscheidend zugute kam. Mit dem Slogan „3=6“ ging der Hersteller damals auf Kundenfang für den Antrieb. Gemeint war mit dieser Formel, dass ein Dreizylinder es mit dem Prinzip des Zweitakters durchaus mit einem Sechszylinder im Viertaktprinzip aufnehmen könnte.

Ein solches Fahrzeug findet man auch bei Szene-Treffs der Motorsport-Historie nur noch ganz selten. Der DKW F91 fiel damals nicht nur wegen seines unkonventionellen Antriebs, sondern auch wegen seiner Stromlinienform auf. Die „Sonderklasse“ wurde noch bis zum Jahr 1957 gebaut, dann endete ihre Laufbahn mangels Nachfrage. DKW aber stand weiterhin hierzulande für das Prinzip des Zweitakters. Und der F91 sollte sogar der neu ins Leben gerufenen Bundeswehr als Vorlage für den ersten Jeep des Heeres dienen: als DKW Munga.

So kann mitunter ein einziger vorwitziger Blick in eine etwas abseits gelegene Garage eines Fahrerlagers zu einer virtuellen Zeitreise werden.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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