Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Und nach dem Nürburgring ist vor Budapest. Auch wenn da erst einmal drei Wochen Pause sind. Das sogenannte Sommerloch der Formel 1. Die Siegerehrung in der Eifel ist am Sonntag kaum vorbei, da rollen aus allen Ecken der Rennstrecke die großen, überdimensionalen Trucks heran. Wie von Geisterhand kommen unzählige Männer mit Arbeitshandschuhen, Schraubern, Schlagbohrern, auf hydraulischen Hebebühnen, die sich an der Staffage des Vollgas-Zirkus zu schaffen machen, heraus. Es geht zu wie auf dem Jahrmarkt. Es klappert und rattert, Hebebühnen quietschen, Anbauteile knallen auf den Boden. Rasch abbauen ist die Losung, die nächste Kirmes wartet schon.
Die riesigen mobilen Motorhomes sind so etwas wie die Trutzburgen der Formel 1. Das sind rollende Einfamilien-Häuser. Nur ein bisschen teurer halt. Dort empfangen die Teams ihre Gäste, treffen sich Fahrer, Manager, Mechaniker, Journalisten. Die Motorhomes sind so etwas wie das moderne Formel-1-Lagerfeuer. Dort wird gegessen, getrunken, gesprochen, verhandelt, beschlossen. Und manchmal wird sich von ganz speziellen Gästen auch nur gezeigt. In der Hoffnung, dass man von einer der vielen draußen wartenden Kameramänner oder Fotografen aufgespürt wird.
Der „Brausehersteller“ (O-Ton Mercedes-Sportchef Toto Wolff) Red Bull leistet sich die protzigste aller Fluchtbauten. Drei Etagen inklusive Dachterrasse und voluminösem Eingangsgepränge. Das ist so etwas wie ein Waldorf Astoria auf Rädern. Laut Internetportal Formel1.de brauchen 20 Helfer zwei Tage, um dieses auf 24 Trucks angelieferte Konstrukt so auf die Beine zu stellen, dass es für ein paar Tage der repräsentative Wohnort allen Geschehens rund um den angriffslustigen roten Bullen ist.
Über mehrere Bauwerke verfügt auch der Mercedes-Bau, der aus 16 Modulen besteht. Dreieinhalb Tage lang bauen die Montage-Spezialisten dieses glitzernde „Übergangshotel“ auf, das auf 16 Trucks angeliefert wird. Besonders beeindruckend ist im Paddock (Fahrerlager) die – zwar räumlich etwas kleinere – dafür um so ungewöhnlichere Glitzerfassade von McLaren. Dieses mobile Eigenheim hat so etwas von einem großen Spiegel-Zerrbild auf dem Jahrmarkt.
Etwas gediegener und ein wenig traditioneller wirkt dagegen Ferrari. Die Italiener stehen dank des Konstrukteurstitels an zweiter Stelle direkt hinter Red Bull im Fahrerlager. Ebenfalls auf drei Etagen konnte dort Ferrari-Präsident Luca die Montezemolo am Wochenende seine Gäste empfangen. Auf der Terrasse gibt es gratis auch noch ein wenig wärmender Eifelsonne an diesem Wochenende. Was in dieser Region nicht an der Tagesordnung ist. Direkt zur linken Hand am Eingang des Fahrerlagers ist ein eher bescheiden wirkender schwarzer Vorbau mit verdunkelten Gläsern und einer schwarzen Mercedes S-Klasse davor im Ruhestand. Dort hat Formel-1-Chef Bernie Ecclestone während der Ring-Tage sein Domizil aufgeschlagen. Ab und zu kommt der kleine Pfund-Milliardär aus seiner Kommando-Zentrale heraus, stets in schwarzer Hose und weißem Hemd gekleidet. Dann winkt er einen seiner wartenden Befehlsempfänger zu einer kurzen Unterweisung heran. So, dass man den Eindruck hat, auf Knopfdruck drehen sich jetzt alle Räder im großen Formel-1-Zirkus.Auf dem PS-Boulevard flanieren alle jene, die wichtig sind in diesem Geschäft von Menschen, Motoren und Sensationen. Und noch mehr von jener Spezies, die sich in dieser abgeschiedenen, elitären (Schein)welt für wichtig und unentbehrlich halten. Die Prachtbauten der Formel 1 sind inzwischen längst entweder in der Revision oder schon auf dem Weg nach Ungarn. Der Nürburgring rüstet sich nämlich schon für das nächste Großereignis am kommenden Wochenende. Dann lädt der ADAC zum Truck-Grand-Prix ein. Und das wird auch kein Ausflug nach Liliput.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun