Neue Reifen für die Formel 1:Das Zauberwort heißt „Kevlar“

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Mit einem neuen Werkstoff will die Formel 1 ihre aktuellen Reifen-Probleme lösen. Das Zauberwort vor dem „Großen Preis von Deutschland“ am Sonntag auf dem Nürburgring, dem neunten von 19 Läufen zur Weltmeisterschaft 2013, heißt „Kevlar, das auch in der Raumfahrt eingesetzte ultraharte Material soll nach dem Chaos von Silverstone mit den geplatzten linken Hinterreifen beim „Heimspiel“ von Dreifach-Weltmeister Sebastian Vettel zum ersten Mal verwendet werden. Das kündigte Formel-1-Reifenlieferant Pirelli, der hart in der Kritik stand, an, nachdem die Reifen vom Silverstone-Rennen, oder besser das, was noch davon übrig war, zu Wochenbeginn analysiert worden waren.

Seit Saisonbeginn waren die Reifen ein Dauer-Thema in der Formel 1 gewesen. In Silverstone aber ging es zum ersten Mal ans „Eingemachte“, da stand die Sicherheit, standen Leib und Leben der Fahrer auf dem Spiel. Er habe keine Lust mehr, „für diese verdammten Reifen“ sein Leben zu riskieren, hatte Ex-Weltmeister Lewis Hamilton nach dem Großen Preis von England gesagt, nachdem er der erste Leidtragende in einem Quartett von Fahrern war, deren Pneus sich mit einem lauten Knall verabschiedet hatten, stets nach dem Überqueren der Kerbs an Kurve vier. Die Italiener sollten zur neuen Saison Reifen entwickeln, die schneller abbauen als bisher. Das hatten sie auch getan. Doch als es dann Probleme mit den neuen Pneus gab und der Hersteller eine neue Entwicklungsstufe liefern wollte, blockierten sich die führenden Rennställe gegenseitig. Aus Lauter Furcht, dass die Konkurrenz dabei einen größeren Vorteil für sich heraus ziehen könnte als man selbst. Weshalb Pirelli den Teams nun auch noch einen Teil Mitschuld an der Misere gab.

Nachdem Pirelli- Motorsport-Direktor Paul Hembery, noch am Sonntag vom Präsidenten des Welt-Automobil-Verbandes, Jean Todt, zum Rapport bestellt worden war, hatten dessen Entwickler offenbar schlaflose Nächte. Nach ungewöhnlich vielen Reifenwechseln beim Großen Preis von Spanien und Symptomen wie Ablösungen der Laufflächen an den Walzen hatte Pirelli in Silverstone erstmals einen neuen Kleber verwandt.

Zur Wochenmitte kam nun das seitenlange Statement des Reifen-Herstellers mit dem Hinweis, dass „die Reifengeneration 2013 bei korrekter Nutzung in keiner Weise die Sicherheit der Fahrer“ gefährde. Die Ursachen für die Ausfälle seien in einer Kombination von Faktoren“ zu suchen gewesen, d.h. die Hinterreifen verkehrt herum montiert gewesen, obwohl die „diesjährigen Slicks eine asymmetrische Struktur“ hätten und daher nicht austauschbar seien. Weitere Indikatoren technischer Art sowie die Tatsache, dass die Kerbs dort in schnellen Kurven „besonders aggressiv“ auf die Reifen (in diesem Fall jedesmal der linke Hinterreifen) gewirkt hätten, seien ebenfalls als Ursachen für die Reifenplatzer zu sehen. Die Konsequenz laut Konstrukteur: Auf dem Nürburgring werden nun erstmals Hinterreifen mit Kevlargürtel, die in Kanada getestet worden waren, eingesetzt. Dieses Material ist bis zu zehnmal härter als die bisher dort verwendeten Stahl-Komponenten. Diese Reifen waren eigentlich schon für den Großen Preis von Kanada vorgesehen, waren dort auch getestet worden. Nach der Sommerpause der Formel 1, also ab dem „Großen Preis von Ungarn“, will Pirelli dann mit einer brandneuen Kollektion von Pneus antreten, in der Kevlar nicht nur in den Hinterreifen verbaut ist.

Der italienische Produzent hatte sich auch die Forderung von Ex-Weltmeister Fernando Alonso zu eigen gemacht: „Wenn die Situation so ist wie in Silverstone, können wir nicht fahren.“ Eine ähnliche Ausgangslage hatte es schon einmal gegeben, als im Jahr 2005 die Fahrer mit Michelin-Reifen in Indianapolis beim Großen Preis der USA nicht antraten. Sie fürchteten seinerzeit um die Stabilität ihrer Reifen bei den dortigen Steilkurven. An den Start waren bei diesem denkwürdigen Rennen schließlich noch vier Fahrzeuge – allesamt auf Bridgestone – gegangen.
In der Hektik des Geschehens hatte nach dem Silverstone-Rennen ausgerechnet der ehemalige Tennis-Star Boris Becker für den ersten treffenden Kommentar gesorgt. Becker, ansonsten von Herkunft her eher ein Fachmann für Filz und Rasen, befand kurz,knapp und dezent bissig: Zum Glück stellt Pirelli keine Kondome her…“

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Jürgen C. Braun, Hersteller

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