Ford eWheel-Drive: PS mit Profil

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Seit über 100 Jahren steckt der Motor vorn unter der Haube oder hinten auf der Achse. Doch auf dem Weg zum elektrischen Stadtflitzer von Morgen denken die Kölner mit ein wenig Hilfe vom Zulieferer Schaeffler um: Weil E-Motoren ohnehin viel kleiner sind als Verbrenner, packen sie den Antrieb direkt ins Rad. Das spart nicht nur Platz, so dass ein Fiesta innen plötzlich so geräumig wie ein Focus wird. Man parkt auch einfacher – zumindest in der Theorie.

Denn wenn die Räder nicht nur Profil, sondern auch PS bieten, braucht man keine Antriebswellen mehr und kann sie beim Lenken viel stärker einschlagen. Weil die E-Maschinen zudem einzeln angesteuert und sogar gegenläufig betrieben werden können, lässt sich ein E-Auto mit Radnabenmotoren wie ein Panzer auf dem Punkt drehen. Dann rangiert man viel leichter und Einparken wird zum Kinderspiel, schwärmen die Entwickler.

Zwar ist im ersten Prototypen vom Platzgewinn noch nicht viel zu spüren, weil die Akkus in dem weißen Fiesta mit den bunten Aufklebern statt im Unterboden im alten Motorraum stecken. Und die Sache mit dem Seitwärtsparken klappt mit der serienmäßigen Lenkung vorn und den starren Achsen hinten auch noch nicht. Dafür haben den Entwicklern bislang die Zeit und das Budget gefehlt, weil sie dann ein komplett neues Auto auf die Räder stellen müssten.

Doch dass die Radnabenmotoren für den Antrieb taugen, können sie mit ihrem Versuchsträger schon mal unter Beweis stellen. Und wie: Zwei mal 55 PS, zusammen 1400 Nm und Hinterradantrieb mit Torque-Vectoring, da kommt Freude auf. Wäre das nicht ein durch und durch vernünftiges Projekt, hätten die Ingenieure den Fiesta mit Heckantrieb und radindividueller Kraftverteilung zu einem wilden Kurvenfeger machen und sogar dem ST die Schau stehlen können. „Doch wir wollten ein betont gutmütiges und kalkulierbares Fahrverhalten“, sagt Projektleiter Roger Graaf und freut sich daran, dass man zum Serienprodukt kaum einen Unterschied merkt.

Das gilt übrigens auch für den Fahrkomfort, der bislang neben den Kosten als wesentlicher Hinderungsgrund für Radnabenmotoren galt. Weil die rund 45 Kilo mehr Gewicht ins Rad bringen, steigen die sogenannten ungefederten Massen um 40 Prozent und bringen den Wagen entsprechend in Unruhe. Bei einer flotten Landpartie mit einer komfortablen Mittelklasse-Limousine mag das ein Problem sein. Aber der Fiesta-Prototyp beweist: Mit einem vergleichsweise anspruchslosen Kleinwagen im Stadtverkehr ist es das ganz sicher nicht. „Ein bisschen Feinschliff an der Abstimmung, und wir haben das im Griff“, ist Projektleiter Graaf überzeugt. Auch dass der Prototyp mit Rücksicht auf die magere Reichweite nur 130 km/h läuft, stört ihn nicht. „Wir arbeiten ja schließlich an einem Stadtauto. Und wenn es trotzdem sein müsste, könnten die E-Motoren ja auch viel schneller.

Obwohl also alles ganz gut aussieht, will Ford sich noch nicht zu einem Serienprojekt durchringen: „Entsprechende Fahrzeuge sind aktuell nicht geplant“, sagt Forschungsdirektor Pim von der Jagt. Und auch Schaeffler-Mann Raphael Fischer bittet noch um Geduld: „Frühestens 2018 könnten wir die Motoren für ein Serienfahrzeug liefern.“

Dabei ist die Idee vom Radnabenmotor natürlich nicht so ganz neu, räumt Fischer ein. Er meint damit nicht nur die vielen Forschungsprojekte, von denen man in den letzten ein, zwei Jahrzehnten bei nahezu allen Herstellern gehört hat. Fischer denkt noch ein bisschen weiter zurück bis zum elektrisch angetriebenen Lohner-Porsche. Und der feierte sein Debüt schon 1897.

Text: Spot Press Services/Benjamin Bessinger
Fotos: Ford, SPS

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