Liebe Leserin!
Lieber Leser!

Das Haus Mercedes-Benz hat zweifellos eine an Anekdoten und historischen Begebenheiten äußerst reiche Motorsport-Tradition. So umfangreich und erfolgreich wie kein zweiter deutscher Hersteller. Die legendären Silberpfeile wurden zum weltweiten Begriff und zum Marken-Kennzeichen. Kein Wunder also, dass die Schwaben, zurzeit in der Königsklasse des Motorsportes bestenfalls zweitklassig, die ruhmreiche Vergangenheit bewahren und mitunter auch aufpolieren möchten und müssen.

Einer der revolutionärsten Boliden der 50er Jahre, vielleicht das „mystischste“ Auto, das die Stuttgarter je gebaut haben, kommt jetzt, fast 60 Jahre nach seinen erfolgreichsten Auftritten, wieder in die Schlagzeilen. Auf ungeahnte und wahrscheinlich auch ungewollte Weise. Es geht um den sogenannten „Stromlinienwagen“, mit dem der fünfmalige Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio 1954 auf dem Nürburgring den Großen Preis von Deutschland gewann. Der Argentinier war, bis Michael Schumacher ihn in der Zahl der Titel nicht nur ein-, sondern sogar überholte, über Jahrzehnte hinweg das Maß aller Dinge im Motorsport gewesen.

Der „Stromlinienwagen“ von damals ist heute im Besitz eines Privatmannes. Und der lässt das gute Stück jetzt versteigern. Im Rahmen des ehrwürdigen und weltberühmten Goodwood-Festivals in Großbritannien wird am 12. Juli der Mercedes-Benz W 196 mit der Fahrzeugnummer 00006/54 unter den Hammer kommen. Auf diesem einen Fahrzeug, mit dem Fangio übrigens auch im gleichen Jahr den Großen Preis der Schweiz in Bern gewann, fußt die ganze Nachkriegs-Tradition und die Erfolgsgeschichte des Hauses Mercedes-Benz.

Beatmet wurde das Prachtstück von einem Achtzylinder-Reihenmotor, der 257 PS leistete und damals bis zu 290 km/h schnell war. Das hört sich alles nach Daten an, wie sie heute ein wenig unspektakulär klingen, aber die Fahrer dieser „Geschosse“ mussten wahre Wunderdinge an Physis und intakter Psyche hinter den großen Volants vollbringen. Gurte? Kein Thema. Assistenzsysteme: Was ist das denn? Servo-Unterstützung des voluminösen, halsstarrigen Lenkrads? Igitttigitt! Sicherheitsräume, Kiesbetten, Crashzonen? Was wir nicht haben, brauchen wir nicht. Basta.

14 Modelle des Typs W 196 wurden insgesamt gebaut. Davon existieren nur noch zehn Stück, ein einziges Unikat aus dieser Serie ist erhältlich: eben genau dieses Fahrzeug mit der laufenden Nummer 6/54. Das britische Aktionshaus Bonhams erwartet für die Versteigerung ein Ausgangs-Angebot von etwa fünf Millionen Dollar für das Fangio-Mobil. Kenner der Szene schätzen indes, dass das „Motorsport-Heiligtum“ nicht unter 40 Millionen Dollar den Besitzer wechseln wird. Würde es so weit kommen, wäre der Benz-Klassiker das teuerste Fahrzeug, das jemals weltweit über den Tisch ging: Bisher stehen 35 Millionen Dollar für den Ferrari GTO des Briten Sir Stirling Moss an der Spitze der Erlös-Hitparade.

Nun wird darüber gerätselt, ob Mercedes sich in die Phalanx der Bieter einreihen wird. Der Preis ist immerhin kein Pappenstiel. Wenn es Sie interessiert, liebe Leserinnen und Leser, ob die einstigen Besitzer wohl noch mal auf den Zug, pardon, auf das Auto, aufspringen werden, setzen Sie sich doch im Juli in den Flieger und reisen Sie nach Goodwood. Als Vorsichtsmaßnahme und quasi zum Selbstschutz sollten Sie vielleicht Ihre Kreditkarte(n) zu Hause lassen.

Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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