Nach der Dakar-Rallye im Januar 2013 standen gut 2 Monate Racing-Vakanz an und viele Teams fieberten dem Start zum diesjährigen FIA-Worldcup entgegen. Und der findet traditionsgemäß nahe dem oberitalienischen Dolomitenstädtchen Pordenone statt. So auch heuer. Eine brettharte Veranstaltung durch die teils wasserreichen Betten der Bäche und Flüsse der südlichen Dolomitenausläufer. Die Baja Italia wurde zur Schotter-Zentrale für Allrad-Renner. Die Steinreichen, mit massivem Geröll aufwartenden Sonderprüfungen verlangten folglich Maschinen und Menschen alles ab.
Eigentlich war wieder alles versammelt, was sich seit Jahren in der Favoritenrolle wohl fühlte. Boris Gadasin, der russische Haudegen, trat mit seinem G-Force-Proto an und übertrieb mal wieder. Dafür meldete das X-raid-Team in diesem Jahr den gerade von seinem Unfall bei der Dakar wieder genesenen Krysztof Holowczyc auf dem bewährten Mini All4. Und Andi Schulz durfte den rechten Pfad ansagen und den heißen Sitz belegen, nachdem durch eine Kommunikationspanne aus seinem 20. Start bei einer Dakar nichts geworden war (siehe KÜS-Magazin Nr. 33). Und Schulz kennt die Baja Italia in- und auswendig. Holowczyc ließ es zwar etwas zurückhaltend angehen (was zu seinem Stil gehört), aber er befand sich von der ersten Minute an im heftigen Clinch mit einem Brasilianer, der sein Debüt bei der Baja gab: Reinaldo Varela, der einen Toyota Hilux V8 des belgischen Overdrive-Racing-Teams an den Start rollte, leicht schmunzelnd beäugt seitens der übrigen Teilnehmer, denn ein Brasilianer in Oberitalien …? In Lauerstellung hatte sich auch gleich Altmeister Jean-Louis Schlesser mit seinem blauen Buggy gebracht. Und noch ein Exote war am Start: der mehrfache Ski-Weltcup-Gewinner Adam Malysz, der bereits vor 2 Monaten bei der Dakar ein allseits beachtetes Debüt gegeben hatte. Auch er auf einem Renner des belgischen Toyota-Teams. Neulinge diesmal auch wieder aus Russland: Ruslan Misikov und Sergey Lebedev. Zu den Brasilianern also: Varela mit dem erfahrenen Gustavo Gugelmin zickten gleich zu Anfang nicht groß herum, ließen es glühen, dass den von den niedrigen Außentemperaturen angefrosteten Zuschauern warm ums Herz wurde und es den Konkurrenten die Sprache verschlug. Zwar blieb Holowczyc immer eng dran, aber auch Schlesser zeigte sich im Rückspiegel seiner beiden Vorderleute meist formatfüllend. So trieb es ein höllisch schnelles Terzett vorneweg, dahinter blieb Raum für die Mitbewerber. Die Wertungsprüfungen waren, wie schon in den Vorjahren, sehr selektiv und bedurften nicht nur hoher Motorleistung, sondern vor allem überlegten Taktierens, denn Abflüge ins harte Geröll gab es schon genügend. So trennten Sekundenteile die ersten 3 Kombattanten bis zum Schluss und Varela gewann mit nur 12 Sekunden Vorsprung nach 3 Tagen vor Holowczyc/Schulz. Schlesser belegte Rang 3 und bereits auf Platz 4 erschien Adam Malysz mit dem Overdrive-Toyota.
Während das polnisch-deutsche Paar auf dem Mini den 2. Platz fast wie einen Sieg beging, zeigte sich der Team-Chef des belgischen Rennstalls von Overdrive-Racing, Jean-Marc Fortin, begeistert: Ist schon was Beachtliches und wir sind stolz darauf, vier unserer Toyotas unter die Top-Ten gebracht zu haben, dabei eben auch das Siegerfahrzeug.Es stellt sich die Frage, ob das siegverwöhnte X-raid-Team um Sven Quandt Holowczyc/Schulz den schweren Job aufbürdet, den im letzten Jahr gewonnen FIA-Weltcup (Al Mutaiwei/Schulz) alleine zu verteidigen, denn sonst wäre der Einstieg für ein 2. oder gar 3. Team aus dem Treburer Rennstall sicher keine schlechte Variante gewesen. Mal sehen, wer sich noch zu den möglichen Favoriten dazu gesellt, 2 Streichergebnisse darf jedes Team ja einbringen …
Text: Frank Nüssel
Bilder: Paolo Pauletta/Italia