Opel: 40 Jahre Kadett C

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Ein kleiner Kadett als meistverkauftes Auto Amerikas? Ein Opel als koreanischer Volkswagen und südamerikanisches Auto für alle? Wovon die Rüsselsheimer heute nur noch träumen können, machte der Kadett C vor 40 Jahren möglich. Der amerikanische General-Motors-Konzern (GM) hatte den kompakten Opel als Mutterfahrzeug seiner sogenannten T-Car-Modelle ausgewählt. T-Car versus T-Modell lautete die Parole, sollte doch mit den neuen Kleinwagen auf Kadett-Basis der globale Erfolg des ersten Massen-Automobils, des legendären T-Modells vom Erzrivalen Ford, übertroffen werden.

„Jedem den Seinen“, lautete ein Werbeslogan für das Auto, das jetzt die Welt mobilisieren sollte. Dazu wurde der Opel Kadett C als erstes GM-Weltauto von nicht weniger als 14 Marken mit über 40 unterschiedlichen Modellbezeichnungen und in noch mehr Karosserie- und Ausstattungsversionen auf allen Kontinenten produziert. Weit über sieben Millionen Einheiten konnten so von den T-Cars verkauft werden, darunter allein 1,7 Millionen Kadett aus dem Werk Stammwerk Bochum. Kein Weltrekord, aber immerhin ein Meilenstein. Lieferte General Motors mit dem T-Car doch für viele Länder das erste Volksauto überhaupt, während der Kadett in Deutschland den alten VW Käfer kurzzeitig niederrang und den jüngeren Ford Escort klein hielt. Nur mit dem neuen Golf konnte es das Einstiegsmodell ins Opel-Programm nicht aufnehmen, dazu fehlte es ihm am modernen Konzept von Frontantrieb und Quermotor. Dafür schrieb der letzte Kadett mit Heckantrieb Sportgeschichte, waren doch ab 1976 die Rallye-Legenden Walter Röhrl und Rauno Aaltonen mit bis zu 165 kW/225 PS starken GT/E erfolgreich. Schon im ersten Jahr sicherten die Werksfahrer Opel mit Siegen in Monte Carlo und Portugal den zweiten Platz in der Marken-Weltmeisterschaft.

Viel wichtiger war der Imagegewinn durch diese Rennmaschinen, die auf dem 1975 präsentierten Kadett GT/E basierten. Weg von der bürgerlichen Betulichkeit des Fahrers mit Hut, hin zu jugendlichem Ungehorsam und neuer Sportlichkeit. Freche Rallyestreifen, mattschwarze Motorhaube, Zusatzscheinwerfer und damals fast schon als überstark empfundene Motoren machten den GT/E zu einem Auto, das scheinbar nur versehentlich von Schotterpisten der Rallye-WM auf Straßenasphalt gewechselt war. Damit unterschied sich das Kadett Coupé auch von den ebenfalls 1975 gezeigten dezenteren Escort RS 2000 und Golf GTI: „Leute haltet Eure Hosen fest, der neue Kadett GT/E ist in 9,8 Sekunden auf 100! Womit wieder mal bewiesen wäre, dass Opels Hosenträger die schnellsten sind“, textete die Werbung.

Noch schneller war tatsächlich nur ein Rivale: Ein Schwestermodell des Kadett, der englische Vauxhall Chevette 2300HS. Die Chevette HS entsprach dem ebenfalls 1975 eingeführten Kadett City mit praktischer großer Heckklappe, konnte aber sogar mit einem neuartigen 100 kW/135 PS starkem 16-Ventil-Triebwerk aufwarten. Immerhin 450 Einheiten verkaufte Vauxhall von diesem Renner, der dreimal so viel kostete wie eine Standard-Chevette mit rau laufendem, 43 kW/59 PS leistendem 1,3-Liter-Motor. Genau damit sollte der billigste Vauxhall ab 1980 auch in Deutschland verkauft werden und so als Einstiegsmodell unterhalb des gerade neu eingeführten Kadett D die Wartezeit bis zur Einführung des ersten Corsa überbrücken.

Kleine Beispiele für das Konzept, das hinter dem 1973 erstmals vorgestellten Kadett C stand. Die dritte Kadett-Generation der Nachkriegszeit sollte nicht nur die Erfolge ihrer Vorgänger fortschreiben, sie sollte mit einer noch nie dagewesenen Variantenvielfalt die Basis für eine globale Karriere als sogenanntes T-Car setzen. Unter dem Code 1865 hatte General Motors dieses Projekt im Jahr 1970 angeschoben als moderne Alternative zum Volkswagen Käfer, der damals wiederum kurz davor war, das Ford T-Modell als Produktionsweltmeister zu überholen. Zu modern durfte das T-Car aber auch nicht sein, sonst wäre die weltweite Akzeptanz gefährdet gewesen. Deshalb blieb es beim Kadett C beim Hinterradantrieb, obwohl die meisten Europäer gerade auf Frontantrieb umstellten.

Tatsächlich hatte General Motors mit dem T-Car alles richtig gemacht, wie sich schon im ersten Jahr zeigte. Bevor der Kadett als Kernmodell im August 1973 eingeführt wurde, feierte im April in Brasilien die fast baugleiche Chevrolet Chevette einen furiosen Markstart. Kurz danach präsentierte der Kadett die damals konkurrenzlose Bandbreite der hübsch gezeichneten Karosserien: Neben zwei- und viertürigen Stufenhecklimousinen gab es den dreitürigen Kombi „Caravan“, ein elegantes Coupé, die Fastbackversion Kadett City mit Heckklappe (ab 1975) und regionale Spezialitäten wie die beim Stuttgarter Karossier Baur gefertigte Cabriolet-Limousine Aero (ab 1976). Auch ein Lieferwagen durfte nicht fehlen. In Asien und Südamerika rundeten Pickups das T-Car-Programm ab oder südamerikanische Modelle mit innovativen Kunststoffkarosserien, die das ohnehin geringe Leergewicht von 775 Kilogramm nochmals um 100 Kilogramm drückten. Auch einen fünftürigen Hatchback gab es. Für Vortrieb sorgten in Deutschland robuste Vierzylinder mit 1,0 bis 2,0 Liter Hubraum und Leistungswerten zwischen schwachbrüstigen 29 kW/40 PS und sportlichen 85 kW/115 PS. Unter anderen GM-Marken durften es bisweilen noch größere Motoren sein, dafür begnügten sich manche brasilianischen Chevette mit Ethanol.

Zum glücklichen globalen Gewinner wurden Kadett und Geschwister aber durch ein gänzlich unvorhergesehenes Ereignis. Ende 1973 überraschte die erste Ölkrise den Weltmarkt. Explodierende Benzinpreise und politische Forderungen nach verbrauchsarmen Fahrzeugen spielten General Motors den Ball zu, mit dem der damals weltgrößte Autobauer nun Treffer auf fast allen wichtigen Märkten erzielte. Das brandneue kleine T-Car wurde nicht nur Verkaufsbestseller der Rüsselsheimer GM-Tochter, sondern startete durch in Südamerika (ab 1973 unter den Marken Aymesa, Chevrolet, GMC, Opel und Grumett), in Asien (ab 1974 unter Chevrolet, Daewoo, Isuzu, Saehan und Opel), in Südafrika (ab 1976 unter Chevrolet), in Australien (ab 1975 unter Holden-Isuzu, Holden und Vauxhall) und entgegen allen anfänglichen Plänen auch in Nordamerika (ab 1975 unter Chevrolet, Buick-Opel, Pontiac und Isuzu). Während Kadett & Co in Südamerika vor allem Volkswagen und Ford zusetzten, brachten die koreanischen Lizenzbauten von Saehan und Daewoo die dortige Massenmotorisierung erst richtig in Gang.

Die eigentliche Sensation ereignete sich jedoch im Mutterland der Straßenkreuzer: Im September 1975 enthüllte Chevrolet die US-Version der Chevette in Washington D.C. passgenau zur Verabschiedung des ersten sogenannten Cafe-Gesetzes über Flottenverbrauchsreduzierungen. Ein Paukenschlag, zu dem die Chevette als sparsamstes Auto Amerikas mit einem Highway-Normverbrauch von umgerechnet 6,0 Litern auf 100 Kilometer überraschte. Damit nicht genug. Der Mini-Chevy wurde ein Maxiseller. Was bis dahin allen Compacts in den USA verwehrt geblieben war, gelang der US-Version des Kadett. Der kleinste Chevrolet eroberte über mehrere Jahre Platz eins der amerikanischen Zulassungscharts. Bis 1986 blieb die Chevette ein nationales Synonym für Ökonomie und Knauserigkeit, obwohl in Good Old Germany inzwischen schon längst zwei neue Kadett-Generationen mit Frontantrieb für Furore gesorgt hatten. Was aber auch die Südamerikaner nicht kümmerte. Dort wurde das mittlerweile antiquierte T-Car erst 1994 von einem modernen Nachfolger in den Ruhestand geschickt. In Europa hatte die meisten Opel Kadett C und Vauxhall Chevette zu dieser Zeit bereits der Garaus ereilt. Was nicht der Rost erledigte, besorgte später die Verschrottungswelle für Alt-Fahrzeuge ohne Katalysator. Entsprechend begehrt sind die überlebenden Kadetten, die einst weltweit „Jedem den Seinen“ stellten.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Opel, SPS

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