CD-Tipp der Woche

Beitragsbild
Foto 1

Marianne Faithfull: Broken English. Deluxe Edition. (Island/Universal)

Manch einer mochte sich gewundert haben, dass sie überhaupt noch lebt: Als Marianne Faithfulls Broken English 1979 erschien, war sie schon eine Zeitlang aus der Öffentlichkeit verschwunden, steckte tief in einer seit Jahrzehnten bestehenden Drogensucht und war am ehesten noch in Erinnerung als Freundin von Mick Jagger aus den turbulenten Sechzigern. Als gutaussehendes Blondchen mit heller Stimme beachtlicher Oberweite hatte sie mit As Tears Go By immerhin einen Erfolg als Sängerin gehabt. Und dann das: Eine heftige Entzündung im Rachenraum und langjähriger Zigarettenkonsum hatte aus Faithfulls Stimme ein regelrechtes Reibeisen gemacht. Und man sah der inzwischen 32-Jährigen ihr Leben zwischen den Extremen auch an.

Der größte Teil des Albums war 1978 auf einer Tournee entstanden, und mit dem Produzenten Mark Miller Mundy und dem Island-Labeleigner Chris Blackwell kam jene Portion Glück dazu, die zu einem solchen Comeback gehört. Beide setzten sich für das spätere Erfolgsalbum ein. Heißt: Drei Wochen in den Londoner Matrix-Studios, hochkarätige Verstärkung (Steve Winwood für zusätzliche Keyboard- und Synthesizer-Spuren) und vielleicht der letzte Rest an Überlebenswillen.

Und dann die Themen! Alle zeugten sie davon, dass das Leben wahrlich kein Ponyhof ist. Broken English über die RAF, nur zwei Jahre nach dem Deutschen Herbst von 1977, die inneren Dämonen einer scheinbar unauffälligen Hausfrau in The Ballad Of Lucy Jordan (geschrieben vom prominenten Autor Shel Silverstein), das Eifersuchtsdrama Why D'Ya Do It? (in Australien auf dem Index gelandet) und Working Class Hero von John Lennon, grandios neu interpretiert. Und das wirkte absolut echt. Denn Faithfull, wenngleich mit adligen Vorfahren behaftet und somit kein Kind der Arbeiterklasse, wusste trotzdem sehr genau, was Armut bedeutet. Eine gute Zeit ihres Lebens hatte sie wohnsitzlos auf der Straße verbracht.

Broken English wurde nicht nur musikalisch ein Meilenstein von Punk und New Wave, sondern setzte auch cineastisch einen Maßstab: Derek Jarman drehte einen Kurzfilm zum Album, und der fand seinen Weg ins Kino-Vorprogramm und gilt heute, auch für sich genommen, als Juwel. Zu dieser Neuveröffentlichung gehört er ebenso wie Aufnahmen, die seinerzeit den Sprung aufs fertige Album nicht schafften.

Broken English ist nicht nur Zeugnis eines erfolgreichen Kampfes gegen allelei zerstörerische Einflüsse (jenen gegen die Drogen hat Marianne Faithfull erst in den achtziger Jahren gewonnen). Es ist auch Fundament einer grandiosen Karriere. Bis heute macht sie durch experimentierfreudige Veröffentlichungen auf sich aufmerksam, jüngere Kollegen scheinen Schlange zu stehen, um da mitwirken zu dürfen. Und unvergessen ist ihre Filmrolle als Irina Palm – das hätte genau so ein Thema für 1979 sein können.

Scroll to Top